Unter dem Motto „Herausforderungen meistern, Errungenschaften bewahren, Grundwerte verteidigen“ tagte am 16. und 17. April der 61. Bundeskongress der Europa-Union in Dresden. Der Kongress stand unter der Schirmherrschaft des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich. Die Wahl der sächsischen Landeshauptstadt als Tagungsort hatte in vieler Hinsicht Symbolcharakter. Mit Blick auf die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung setzte die Europa-Union mit ihrem Kongress in Dresden ein Zeichen für Toleranz und europäische Werte. „Dresden ist eine europäische Stadt“, unterstrich Rainer Wieland. „Seine Bürger haben maßgeblich zur friedlichen Revolution der DDR beigetragen, die die deutsche Einheit und die Wiedervereinigung Europas gebracht hat“, erinnerte der EUD-Präsident.
Der Kongress stand auch unter dem Eindruck des 25. Jubiläums des Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrags. Der Freistaat im Herzen Europas ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie ein solches Vertragswerk mit Leben erfüllt werden kann. Ministerpräsident Tillich zeigte eindrucksvoll, wie grenzüberschreitende Zusammenarbeit vor Ort funktioniert. „Für Sachsen ist Europa etwas, das selbstverständlich ist“, unterstrich Tillich. Mit dem Kongress in Sachsen schließt sich auch ein Kreis in der Geschichte der Europa-Union. 1991 fand in Leipzig der erste Bundeskongress nach der Wiedervereinigung statt.
Dass der Bundeskongress 25 Jahre später wieder in Sachsen zu Gast sein konnte, ist nicht zuletzt dem neu gegründeten Europa-Union Verband im Freistaat zu verdanken. Dieser organisierte gemeinsam mit Vertretern der JEF Deutschland und der JEF Sachsen sowie Mitgliedern des Präsidiums der Europa-Union ein vielseitiges Vorprogramm, über das auch der MDR und Dresden Fernsehen berichtete. Europadebatten am Kreuzgymnasium und der Marie-Curie-Schule standen ebenso auf dem Programm wie Diskussionsrunden mit Studierenden der Fachhochschule Meißen und der TU Dresden. Zudem gab es einen Diskussionsabend mit den Dresdner Wirtschaftsjunioren und eine Straßenaktion im Zentrum.
Die Europa-Union forderte in Dresden eine Reform der europäischen Flüchtlingspolitik und die Einführung eines einheitlichen europäischen Asylsystems. Weiterhin sprach sich der Verband für die Schaffung eines Europäischen Verteidigungsministeriums aus und begrüßte das „Verfahren zur Rechtsstaatlichkeit“, mit dem die Rechtsstaatlichkeit in EU-Mitgliedstaaten bei begründeten Zweifeln überprüft werden kann. Die Europa-Union positioniert sich zudem klar für Weltoffenheit und gegen Pegida. Die Beschlüsse des 61. Bundeskongresses finden Sie hier.
Inhaltliche Impulse setzten beim Bundeskongress neben Ministerpräsident Tillich und EUD-Präsident Wieland der Europa-Abgeordnete Peter Jahr, der frühere Botschafter Polens in Deutschland und bei der EU und aktuelle Vertreter der Europäischen Kommission in Polen Marek Prawda sowie zahlreiche Referenten in den Gesprächskreisen und Arbeitsgruppen.
In der Landeshauptstadt willkommen geheißen wurden die rund 200 Delegierten von Bürgermeister Peter Lames. Er berichtete über die Chancen und Herausforderungen, denen sich Dresden als Kulturmetropole und Wissenschaftsstandort mit wachsender Einwohnerschaft gegenübersieht.
Rainer Wieland thematisierte in seiner Eröffnung die Uneinigkeit der Mitgliedstaaten angesichts der Flüchtlingsbewegungen in Europa. Es gehe darum, gemeinsame Lösungen zu finden. „Wir werden die Dinge nur erreichen, wenn sich alle bewegen und dies auch alle sehen“, betonte Wieland. „Wer, wenn nicht wir Deutsche und Europäer, sollten Zuversicht haben, dass wir die Herausforderungen bewältigen.“ Mit Blick auf die Wahlerfolge der AfD spricht sich Wieland dafür aus, um deren Wähler, von denen viele zuvor etablierte Parteien gewählt haben, zu kämpfen. „Es kann sich lohnen, um die Menschen zu werben, die sich Sorgen machen“, ist Wieland überzeugt. Diese müssten mitgenommen werden.
„Jede Generation muss sich ihr Europa erarbeiten und neu erzählen“, sagte der frühere Botschafter Polens in Deutschland und bei der EU und Vertreter der Europäischen Kommission in Polen Marek Prawda. Für den Aufbau des europäischen Projekts habe es auch der negativen historischen Erfahrungen bedurft, die der älteren Generation immer noch präsent seien. Frieden sei noch immer das Ziel der europäischen Integration. Europa müsse vor dem Erstarken nationaler Leidenschaften warnen. Prawda bedauerte, dass der Diskurs in den nationalen Parlamenten häufig von dem in Brüssel abweiche. Politiker der nationalen Ebene müssten sich stärker zu Europa bekennen und europäische Entscheidungen den Menschen vor Ort vermitteln. „Wir brauchen eine europäische Erzählung, die praktische Antworten findet für die Menschen in der heutigen Welt“, resümierte Prawda. Die Menschen müssten verstehen, dass es allemal günstiger sei, zusammenzubleiben und gemeinsam Antworten zu suchen als nationale Rezepte zu verfolgen.
Marek Prawda wurde im Rahmen des Kongresses für seine Verdienste für Europa und die deutsch-polnische Zusammenarbeit mit der Europa-Union Medaille in Gold mit Stern geehrt. In seiner Laudatio sagte der Bundestagsabgeordnete und Vize-Präsident der Europäischen Bewegung Axel Schäfer: „Was in den europäischen Verträgen steht ist eine einmalige historische Leistung und mit nichts zu vergleichen. Das Europa, das wir heute haben, ist nicht selbstverständlich. Es wird vom Willen getragen, über Grenzen hinaus zu arbeiten.“ Dabei müssten auch Schwierigkeiten immer wieder benannt werden. Schäfer betonte vor diesem Hintergrund auch die Bedeutung des Weimarer Dreiecks und erinnerte an den europäischen Imperativ: „Es kann keinem Land gut gehen, wenn es seinen Nachbarn schlecht geht.“
EUD-Generalsekretär Christian Moos stellte in seinem Bericht die Aktivitäten und Angebote des Bundesverbandes für die Kreis- und Landesverbände vor. Mit den Bürgerdialogen zum TTIP-Abkommen hätten sich die Europa-Union und ihre beteiligten Gliederungsverbände bundesweit einen Namen gemacht. "Die Sichtbarkeit des Verbandes hat sich stark erhöht", so Moos. Das erfolgreiche Format finde 2016 seine Fortsetzung, nun zu dem brandaktuellen Thema „Europa Grenzen“. Auch die Straßenaktionen der Europa-Union „Gedankengang zu Krieg und Frieden“ und das neu konzipierte „Wortspiel“ würden den Aktiven vor Ort zur Verfügung gestellt. Besonders zur Europawoche könne man bei der Bundesgeschäftsstelle wieder vielfältigste Materialien für die Informationsarbeit beziehen.
Im vergangenen Jahr habe die parlamentarische Arbeit der Europa-Union neue Impulse erhalten unter anderem mit den interaktiven Parlamentarischen Europaforen unter Beteiligung der JEF. Außerdem sei der Verband verstärkt auf Bundesparteitagen präsent.
Der JEF-Bundesvorsitzende David Schrock berichtete von der positiven Mitgliederentwicklung des Jugendverbandes, von der auch die Europa-Union profitiere. Er warb für ein noch besseres Miteinander zwischen beiden Verbänden auf Augenhöhe.
Wie Europa-Union und JEF neue Zielgruppen erreichen und die Zahl ihrer Mitglieder erhöhen können war auch Thema beim Treffen der AG Verbandsentwicklung. Erarbeitet wurden Konzepte und Formate für die Mitgliedergewinnung und Bindung. Den Bericht finden sie hier.
Im Gesprächskreis mit dem sächsischen Europaabgeordneten Peter Jahr wurden vielfältigste Themen diskutiert. Das Publikum nutzte die Gelegenheit, mit dem Landwirtschaftsexperten über Zweck und Nutzen der Europäischen Agrarpolitik und die Auswirkungen des TTIP-Abkommens auf den Landwirtschaftsbereich zu diskutieren. Außerdem bewegten das Publikum die Frage der europäischen Identität und der Umgang mit der Pegida-Bewegung in Dresden. Moderiert wurde die Debatte von EUD-Präsidiumsmitglied Sylvia-Yvonne Kaufmann MdEP.
Im Rahmen des Bundeskongresses traf sich auch das neue Kommunale Netzwerk, das Kommunalpolitiker innerhalb der Europa-Union miteinander ins Gespräch bringen will. Die Sicht der Kommunen auf Europa stellte Uwe Zimmermann vom Deutschen Städte- und Gemeindebund vor. Die Diskussion leitete EUD-Präsidiumsmitglied Heinz-Wilhelm Schaumann.
Die AG Europäische Wirtschaftspolitik beschäftigte sich mit den wirtschaftlichen Auswirkungen wieder eingeführter Grenzkontrollen und eines Scheiterns des Schengenraumes. Die Zusammenhänge und politischen Ereignisse im Zuge der Flüchtlingskrise erläuterte Jasmin Groeschl vom ifo Institut München. Moderiert wurde das Gespräch von den beiden Sprechern Thomas Kopsch und Präsidiumsmitglied Claudia Conen. Den Bericht finden Sie hier.
Im Workshop „Zusammenhalt und Zukunft in der Europäischen Union“ diskutierten die Delegierten mit den EUD-Präsidiumsmitgliedern Evelyne Gebhardt MdEP und Hermann Kuhn sowie dem Direktor des Instituts für Europäische Politik Mathias Jopp. Es herrschte Einigkeit, dass noch stärker vermittelt werden müsse, dass die Kosten von „Nicht-Europa “ enorm hoch seien, nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Freiheiten der Bürger und das Wohlergehen der Menschen. Es dürfe nicht allein pragmatische Politik gemacht werden. Neue Visionen müssten entwickelt werden, die nicht nur den Kopf, sondern auch die Herzen der Menschen ansprächen.
Im Workshop „Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ mit Heinrich Kümmerle, Oberstleutnant a.D. und Kreisvorsitzender der Europa-Union Heilbronn, und JEF-Bundesvorstandsmitglied Christian Gonder ging es um die Frage, ob und wie Europa in den nächsten 30 Jahren das Ziel einer Europäischen Armee erreichen könne. Unter der Moderation von EUD-Präsidiumsmitglied Harm Adam wurde darüber lebhaft diskutiert. Den Bericht finden Sie hier.
Der Dresdner Kongress war auch in den Medien präsent. Der MDR berichtete im Sachsenspiegel am 15. April vom Vorprogramm von EUD und JEF an Dresdner Schulen und der Universität sowie am 16. April direkt vom Bundeskongress. Außerdem strahlte Dresden Fernsehen einen Beitrag zum Bundeskongress aus. Der Kongress wurde zudem in der Welt, im Focus, in den Dresdner Neuesten Nachrichten und in der Freien Presse angekündigt.