Wahlrecht neu denken! Expertengespräch zur Unionsbürgerschaft

Im europäischen Jahr der Bürgerinnen und Bürger hat die Europa-Union Deutschland eine alte Forderung bekräftigt: EU-Bürger sollen auch an Wahlen zum Bundestag und zu den Landtagen teilnehmen dürfen. Unterstützt wird der Vorschlag, zumindest in Bezug auf eine Ausweitung des Landeswahlrechts, auch vom Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland (EBD). Um die Hinter- und eventuellen Hinderungsgründe dieses Vorhabens näher zu beleuchten, hat die EBD am 5.9. ein exklusives Fachgespräch mit Experten in Berlin organisiert.

Noch dürfen EU-Bürger bei Bundestags- oder Landtagswahlen kein Kreuzchen machen (Bild: © opicobello - Fotolia.com)

„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt“, heißt es in Artikel 38 des Grundgesetzes. Von wem die Parlamentarier gewählt werden, regelt ein Bundesgesetz. Unionsbürger - sofern sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen - bleiben demzufolge bei der Wahl außen vor, auch wenn sie schon seit Jahrzehnten in Deutschland leben.

Im europäischen Jahr der Bürgerinnen und Bürger hat die Europa-Union Deutschland deshalb eine alte Forderung bekräftigt: EU-Bürger sollen auch an Wahlen zum Bundestag und zu den Landtagen teilnehmen dürfen. Unterstützt wird der Vorschlag, zumindest in Bezug auf eine Ausweitung des Landeswahlrechts, auch vom Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland (EBD). Um die Hinter- und eventuellen Hinderungsgründe dieses Vorhabens näher zu beleuchten, hat die EBD am 5.9. ein exklusives Fachgespräch mit Experten in Berlin organisiert.

Einen engagierten Impulsvortrag hielt Ulla Kalbfleisch-Kottsieper, Mitglied im Präsidium der Europa-Union Deutschland. Mit großer Leidenschaft warb Kalbfleisch-Kottsieper für eine Änderung des Grundgesetztes zur Einführung des allgemeinen Wahlrechts auf allen Ebenen für alle Unionsbürger in Deutschland. 20 Jahre nach der Schaffung der Unionsbürgerschaft durch den Vertrag von Maastricht sei es an der Zeit, die Partizipationsmöglichkeiten der hier lebenden 2 Millionen Unionsbürger zu stärken. Ziel sei es, sowohl die Demokratie als auch die europäische Identität auszubauen. Das 100 Jahre alte deutsche Staatsbürgerschaftsrecht solle nicht mehr wie eine „Monstranz“ vor sich hergetragen werden. Auch das kritische Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1990 könnte in Zukunft von Karlsruhe revidiert werden.

Genau darauf setzte auch Dr. Hermann Kuhn, Vorsitzender des Ausschusses für Integration, Bundes- und Europaangelegenheiten der Bremischen Bürgerschaft. Ein von ihm geleiteter Sonderausschuss zu Wahlrechtsfragen kam zu dem Schluss, dass die Bremer Landesverfassung auch moderner interpretiert werden könnte, um EU-Bürgern künftig das Landeswahlrecht einzuräumen. Nach erster Lesung liegt der Gesetzesentwurf nun beim Staatsgerichthof, der den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorlegen könnte. Kuhn machte deutlich, dass eine Einschränkung von Wahlrechten gut begründet sein müsse und zeigte sich hoffnungsvoll, dass der Bremer Vorstoß Früchte trägt und die Unionsbürgerrechte gestärkt werden können. Heutzutage müsse das Wahl- und Staatsangehörigkeitsrecht neu gedacht werden.

Ganz auf dem Boden des Grundgesetzes bewegte sich die Argumentation von Dr. Jörg Bentmann, Abteilungsleiter Grundsatzfragen, EU- und internationale Angelegenheiten im Bundesministerium des Innern. Er machte sowohl verfassungs- als auch europarechtliche Bedenken gegenüber einer Ausweitung des Wahlrechts geltend und stellte die Frage, ob eine Stärkung der europäischen Identität und eine Regelung von Wahlrechtsfragen nicht eher auf EU-Ebene erfolgen sollten. Das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts setzten jedenfalls gewisse Hürden.

In der anschließenden Diskussion bekräftigte EUD-Generalsekretär und EBD-Vorstandsmitglied Christian Moos die Forderung nach einer Wahlrechtsreform. Die von der EU bereits gewährten wirtschaftlichen Grundfreiheiten müssten noch stärker um politische Teilhaberechte ergänzt werden.

Beschlüsse und Informationen der Europa-Union zum Unionsbürgerwahlrecht