Soziales Europa – Anspruch und Wirklichkeit

Am 10. Oktober luden der Landtag Brandenburg mit Unterstützung des Landesverbandes Brandenburg der Europa-Union Deutschland e.V. und des Europäischen Informationszentrum (EDIC) Potsdam in den Landtag ein, um sich öffentlich ausführlicher mit dem Thema „Soziales Europa - Anspruch und Wirklichkeit“ auseinander zu setzen.

Podiumsdiskussion im Plenarsaal des Brandenburger Landtages

Es wurde intensiv diskutiert mit Vertretern und Vertreterinnen des Europäischen Parlaments, des Deutschen Bundestags, der Brandenburgischen Landesregierung, des Auswärtigen Amtes, der Europäischen Kommission, des Deutschen Gewerkschaftsbunds und nicht zuletzt mit Abgeordneten der politischen Fraktionen des Landtags Brandenburg, die diese Initiative eingebracht hatten, sowie mit einem polnischen Gast, Kacper Czapracki, Vorsitzender der Europa-Union-Polska aus Posen.

Die Einführung gab Dr. Peter Becker von der Forschungsgruppe EU/Europa der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Dr. Becker stellte gut nachvollziehbar nicht nur die verschiedenen Etappen und Instrumente der EU-Sozialpolitik von 1958 bis heute, einschließlich der europäischen Fördertöpfe (wie Europäischer Sozialfonds, Jugendbeschäftigungsinitiative, Europäischer Fonds für die Anpassung an die Globalisierung und das EU-Programm für Beschäftigung und soziale Innovation) dar. Er wies auch auf die Problemfelder und Konfliktlinien im Kontext der sog. Sozialen Dimension in der EU hin, wie z.B. die Frage nach den Kompetenzen (nationale vs. europäische), die Verteilungskonflikte und nicht zuletzt das Problem der unterschiedlichen Nationalen Sozialstaatsmodelle. In seinem „Blick nach Vorne“ ging Dr. Becker u.a. auch auf die laufenden Diskussionen ein über die „Europäische Säule sozialer Rechte“ und das Reflexionspapier der Europäischen Kommission zur Sozialpolitik.

Es entwickelte sich sodann eine heftige und interessante Debatte zwischen der politischen Ebene mit den Bürgerinnen und Bürgern. Dabei wurde u.a. die Meinung vertreten, die EU dürfe sich – in der Wahrnehmung nach Außen - nicht nur über ihren Binnenmarkt definieren; sie müsse sich mehr und mehr auch als „Soziales Europa“ begreifen, nicht zuletzt auch um mehr Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern zu erhalten. Auch müsse es Mindeststandards geben, z.B. hins. des Mindestlohnes, wobei klar sei, dass seine Höhe angesichts der unterschiedlichen Wirtschaftskraft der einzelnen Mitgliedstaaten zwar unterschiedlich anzusetzen sei. Allerdings könne man die erforderlichen Kontrollen, die Frage der Festlegungen der Höhe und die jeweilige Anhebung der Mindestlöhne im Rahnen der Mindeststandards ebenfalls festlegen. Dabei stand erstaunlicher Weise nicht die Forderung im Vordergrund, die EU müsse in diesem Bereich mehr Kompetenzen erhalten. Vielmehr seien die vorhandenen intensiver auszuschöpfen. (Dr. Becker hatte darauf verwiesen, dass die EU mittlerweile nahezu 500 EU-Rechtsakte im Bereich der Beschäftigungs- und Sozialpolitik verabschiedet habe.) Insbesondere wurde die Forderung aufgemacht, dass auf dem EU-Sondergipfel vom 17.11. in Göteborg ein klares politisches Bekenntnis für den Grundsatz erfolgen müsse: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Sozialdumping sei auf jeden Fall genau das falsche „Rezept“, den Wohlstand in der EU gleichmäßiger zu verteilen.

Verfasser ist sich darüber im Klaren, dass das Thema „Soziales Europa“ uns alle in der EU weiter und noch intensiver als schon bisher beschäftigen wird, nicht zuletzt, wenn die zu erwartenden Herausforderungen im Rahmen der Globalisierung und der Digitalisierung die Bürgerinnen und Bürger in der EU noch direkter erreichen oder wenn man z.B. konkret an die laufenden Erörterungen um die Änderung der Entsenderichtlinie denkt.

Es bleibt zu hoffen, dass es dazu die erforderlichen sozialpolitischen Beschlüsse zunächst auf dem Sondergipfel in Göteborg und dann an anderer Stelle geben wird.

 

Wolfgang Balint, Vorsitzender Landesverband Brandenburg e.V. der EUD