Rainer Wieland: Griechenland eine Perspektive geben

Europapolitisch könnte das Jahr 2015 mit einem Paukenschlag beginnen. Die im Dezember gescheiterte griechische Präsidentenwahl zieht am 25. Januar eine Neuwahl des Parlaments nach sich. In den Umfragen liegt die linkspopulistische Syriza-Partei knapp vor den regierenden Konservativen. Syriza will die Sparpolitik beenden, den Austritt aus der Eurozone in Kauf nehmen. Europa-Union Präsident Rainer Wieland zeigt sich überzeugt, dass Griechenland Mitglied der Eurozone bleiben muss.

„Tritt Griechenland aus der Eurozone aus, kommt es höchstwahrscheinlich zu einem hundertprozentigen Schuldenschnitt, aus Sicht der Gläubiger und damit auch der deutschen Steuerzahler zu einem Totalausfall.“ Wieland hofft, dass die griechischen Wähler, auch die in Deutschland lebenden griechischen Staatsbürger, gemäßigte Parteien in die Regierungsverantwortung wählen.

Wieland sieht deutliche Ansätze einer wirtschaftlichen Erholung in Griechenland: „Nach allem, was wir wissen, hat Griechenland den Wendepunkt geschafft. Die Reformen wirken. Die Wirtschaft wächst wieder, neue Arbeitsplätze entstehen. Kündigte die neue Regierung in Athen die Zusammenarbeit mit der Troika auf, wären alle Anstrengungen und Entbehrungen der vergangenen Jahre umsonst gewesen.“

Griechenland dürfe nicht für die Eurozone verlorengehen. „Ein Austritt aus der Gemeinschaftswährung hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zuge einer massiven Abwertung der neuen Drachme auch einen Totalverlust der Forderungen gegen Griechenland zur Folge. Damit wäre niemandem in Europa gedient“, so Wieland weiter.

Die Diskussionen um einen Kurswechsel der Bundesregierung im Blick auf einen Austritt Griechenlands hält Wieland für gespenstisch: „Es ging nie darum, ein Land um jeden Preis im Euro zu halten. Es ging immer um ´Solidarität gegen verlässliche Solidität´. Dieses Konzept ist erfolgreich.“

„Wir bewegen uns heute auf sichererem Grund als noch vor einem Jahr. Die Maßnahmen greifen nicht nur in Griechenland, sondern auch in Irland, Portugal und Spanien. Wir haben heute die Bankenunion. Die Ansteckungsgefahr, die noch vor zwei Jahren von einem einseitigen Schritt eines Landes aus dem Euro heraus ausging, ist begrenzt oder mindestens beherrschbar.“

Einseitige Schritte durch eine neue griechische Regierung sind weder das richtige Rezept für die Lage in Griechenland noch das richtige Signal nach innen und außen. Nicht an die griechische Bevölkerung, die erhebliche Einschnitte für eine Wende hinnehmen musste, nicht für die Bevölkerungen in den anderen Mitgliedstaaten, die mit den gemeinsamen Maßnahmen auch Haftung übernommen haben – und nicht für die anderen, reformwilligen Länder, die mit dem Konzept „Solidarität gegen verlässliche Solidität“ erfolgreich sind.

„Es geht deshalb nicht um einen Politikwechsel aller anderen, sondern einzig und allein darum, ob eine neue griechische Regierung die bisherige Geschäftsgrundlage einseitig aufkündigt. Es ist gut, dass verantwortliche Regierungspolitiker in Deutschland unmissverständliche Signale setzen: Wer mit uns den bisherigen Weg weitergehen will, wird nicht allein gelassen“, so Wieland weiter. Dies beinhalte auch, dass bei neuen Schwierigkeiten trotz Reformen auch gemeinsam über weitere Schritte entschieden wird, so wie dies für alle Reformstaaten gelte.

Der Verbleib Griechenlands hat für Wieland jedoch jenseits der Geldpolitik auch eine außenpolitische Komponente für die gesamte EU: „Mit Blick auf verstärkte russische Aktivitäten auf dem Balkan - wie überhaupt in Südosteuropa, auch innerhalb der Europäischen Union – kann es kaum in unserem Interesse sein, dass Griechenland aus der Eurozone ausscheidet. Athen droht dann in den Sog russischer Einflussnahme zu geraten.“