„Next Stop EU?“ – Online-Bürgerdialog zur EU-Erweiterungspolitik am 26. Oktober 2021

Beim grenzüberschreitenden deutsch-tschechisch-österreichischen Online-Bürgerdialog standen Kristof Bender, Südosteuropa-Experte und stellv. Vorsitzender der Europäischen Stabilitätsinitiative, die Europaabgeordnete Markéta Gregorová und Jörg Wojahn, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, den Bürgerinnen und Bürgern am Abend des 26. Oktobers Rede und Antwort.

Erstmals bei einem Bürgerdialog hatten die Teilnehmenden im Vorhinein der Diskussion die Möglichkeit, sich in Kleingruppen auszutauschen und inhaltliche Fragen an die drei Mitwirkenden vorzubereiten. So diskutierten die über 100 Teilnehmenden mit den drei Panelisten zu Themen wie der Bereitschaft der EU, weitere Länder aufzunehmen sowie zu dem Stand der Beitrittsverhandlungen mit den Westbalkanländern. Eine weitere Fragestellung war, ob eine Reform der EU-Erweiterungspolitik nötig sei und wie diese aussehen sollte. Zudem wollten die Bürgerinnen und Bürger wissen, warum aktuelle Eurobarometer-Umfragen darauf hinweisen, dass eine zusätzliche EU-Erweiterung vor allem im Süden und Osten auf Zustimmung stoße, im Norden und Westen jedoch abgelehnt werde.

Unser Medienpartner, das Online-Jugendmagazin „treffpunkteuropa.de“, berichtet auf seiner Webseite über den Online-Bürgerdialog „Next Stop EU? The Future of EU Enlargement Regarding the Western Balkans“ vom 26. Oktober 2021. Hier folgt ein kleiner Auszug:

„[Die Panelist*innen waren] sich einig, dass eine Aufnahme der westlichen Balkanstaaten positiv wäre, vorausgesetzt sie erfüllen die nötigen Bedingungen des Beitrittsprozesses anhand der sogenannten „Kopenhagener Kriterien“. Konkret bedeutet das wirtschaftliche und soziale Reformen für die Kandidatenländer sowie die Konsolidierung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Ziel der EU-Erweiterung ist somit eine politische und wirtschaftliche Kooperation basierend auf gemeinsamen europäischen Werten. Die Panellist*innen stimmen damit Ursula von der Leyen zu, die sich im Rahmen des EU-Westbalkan-Gipfels Anfang Oktober deutlich für eine europäische Zukunft der Westbalkanstaaten aussprach. […]

Markéta Gregorová […] betont, dass aus ihrer tschechischen Perspektive ein Beitritt sowohl für die Westbalkanstaaten als auch für die EU von Vorteil wäre. Die EU müsse jedoch klar definieren, wofür sie eigentlich steht und was genau eine EU-Mitgliedschaft bedeutet. Andernfalls würde eine EU-Erweiterung in einem Zusammenschluss von Staaten mit völlig unterschiedlichen Interessen und Werten resultieren.

Der wachsende Nationalismus und Populismus in einigen Mitgliedstaaten sind für den internen Zusammenhalt der EU gefährlich. Das zeigt sich deutlich an dem aktuellen Rechtsstreit zwischen Polen und der EU, welcher die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union grundsätzlich in Frage stellt. Europäische Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit müssen daher von der EU effektiv eingefordert werden. Schließlich „wollen wir kein Mini-Polen und Mini-Ungarn in der EU“, betont […] Kristof Bender. Ein EU-Beitritt muss demnach gut vorbereitet sein und die Beitrittskandidaten müssen deutlich machen, dass sie es ernst meinen mit dem Reformprozess. Dafür spricht sich auch Jörg Wojahn aus. Gleichzeitig lehnt er jedoch ein Narrativ ab, demzufolge die EU den Beitrittskandidaten unliebsame Reformen aufzwingt. Vielmehr betont er, dass die Bedingungen zur EU-Mitgliedschaft nicht nur im Interesse der Europäischen Union, sondern auch der westlichen Balkanstaaten seien.

[…] In Bezug auf den Beitrittsprozess warnt Bender jedoch vor einem Teufelskreis: Wenn Reformen von den Beitrittskandidaten nicht effektiv umgesetzt werden, begünstige das Vetos einzelner EU-Mitgliedstaaten. Diese Blockaden schüren Skepsis seitens der Balkanstaaten und der EU-Beitrittsprozess verliere insgesamt an Glaubwürdigkeit, so Bender. Daher stellt sich die Frage, ob das derzeitige Modell der Entscheidungsfindung innerhalb der EU überhaupt zielführend ist oder ob der Anspruch von Einstimmigkeit, wie beispielsweise im Rahmen des Beitrittsprozesses, die EU nicht viel mehr lähmt. Besonders das Vetorecht der Mitgliedstaaten kann zu interner Instabilität führen, wie sich deutlich an dem aktuellen Rechtsstreit mit Polen zeigt. Gregorová sieht daher einen Bedarf für Reformen, welche die europäischen Entscheidungsfindungsprozesse demokratischer und transparenter machen.

[…] Eine EU-Erweiterung sollte nicht überstürzt werden, da sind sich alle drei Panellist*innen einig. Daher wäre der Beitritt in den Europäischen Binnenmarkt eine mögliche Vorstufe zur vollständigen EU-Mitgliedschaft. In einem zweiten Schritt würden sich die Beitrittsländer dann auch zum Europäischen Werte- und Rechtssystem bekennen. Vor allem die Europaabgeordnete Gregorová spricht sich für eine wirtschaftliche Kooperation als Vorstufe des vollständigen Beitritts aus. Gleichzeitig betonte sie aber auch die Bedeutung gemeinsamer Werte – eine Frage, die auch die Teilnehmenden interessierte. Sie erklärt: „Das Versprechen wirtschaftlichen Wohlstandes wirkt wie ein Magnet. Doch Magneten können sich auch gegenseitig abstoßen. Daher braucht es gemeinsame europäische Werte, welche die Gemeinschaft über eine wirtschaftliche Kooperation hinaus zusammenschweißen“. Die Europäischen Grundwerte - Demokratie, Achtung der Menschenwürde und Wahrung der Menschenrechte, Gleichheit, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit – müssen wieder stärker in den Mittelpunkt rücken, findet auch Wojahn. „Denn wir Europäer*innen können stolz sein auf unsere gemeinsamen Werte“, betont er. […] Doch eine EU-Mitgliedschaft bedeutet nicht nur wirtschaftliche und politische Kooperation, sondern auch ein Bekenntnis zu europäischen Grundwerten und Solidarität. Die EU als Zukunftsperspektive habe die Balkanstaaten seit Ende der Jugoslawienkriege stabilisiert, so Bender. Der Aufschwung nationalistischer Narrative stelle diesen Frieden jedoch zunehmend in Frage. Gerade hier könne die EU positiv wirken, indem sie durch ein glaubhaftes Beitrittsangebot Zukunftsperspektiven schafft. Durch einen geordneten Beitritt kann die Europäische Union also Frieden und Demokratie in der Region stärken.“

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Der Online-Bürgerdialog wurde moderiert von Julian Plottka, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Jean-Monnet-Lehrstuhl für Europäische Politik der Universität Passau. Kurze Meldungen und Fotos live vom Online-Bürgerdialog finden Sie auf unseren Kanälen in den sozialen Medien: Twitter, Facebook und Instagram.

Die entwickelten Ideen und Forderungen der Teilnehmenden finden Sie auf der mehrsprachigen Online-Plattform der Konferenz zur Zukunft Europas. Bitte zögern Sie nicht, sich auf der Plattform zu registrieren, die Ideen zu kommentieren oder eigene Forderungen einzubringen.

Die Veranstaltung fand in Kooperation mit den Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) Passau, der JEF Tschechien, dem Jean-Monnet-Lehrstuhl für Europäische Politik der Universität Passau sowie dem Bezirksverband Niederbayern der Europa-Union statt. Ein breiter und offener Dialog ist uns wichtig, daher arbeiten wir mit einer Vielzahl von Partnern aus Politik und Zivilgesellschaft zusammen. Die Veranstaltung ist Teil der Bürgerdialogreihe „Europa - Wir müssen reden!“ und wurde als grenzüberschreitendes Projekt vom Auswärtigen Amt gefördert und vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung unterstützt. Weitere Informationen zu unserer bundesweiten (Online-)Bürgerdialogreihe „Europa – Wir müssen reden!“ und alle aktuellen Termine finden Sie hier.