Diese Erwartung wurde nicht enttäuscht. „Bürokraten sind der Kleber Europas“, zitierte der Chef des dbb, Klaus Dauderstädt, in seinem Grußwort den Autor. Andre Wilkens bekräftigte seine Ansicht im anschließenden Panel mit der stellvertretenden dbb Bundesvorsitzenden und Vertreterin der Europa-Union Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag, Kirsten Lühmann MdB, und Professor Martin Roth, einem Freund Wilkens und ehemaliger Direktor des Victoria & Albert Museums London: „Wir haben ein System an Regeln geschaffen, das von Beamten überwacht wird. Die kriegerischen Konflikte von früher, werde heute mit Füllfeder und Laptop ausgefochten und das läuft doch super. Ich will nicht zurück.“
Wilkens Weg nach Europa startete 1991 mit einem Praktikum bei der Europäischen Kommission. Bei seinem anschließenden Studium an der London School of Economics wurde er in seinen eigenen Worten „zum Europäer ausgebildet“. Für den gebürtigen Ost-Berliner kam schon früher „alles Tolle aus Europa“, die Musik, die Klamotten, die Freiheit. Nach dem Mauerfall fuhr er „mit dem Lada nach Europa“, lebte in Brüssel, London, Turin und Genf und schuf sich so seine eigene europäische Wirklichkeit und erlebte Freiheit. „Ich bin kein Propagandist für Europa, wir haben viele Fehler gemacht, während der Griechenland-Krise beispielsweise, aber wir habe auch so wahnsinnig viel erreicht und das muss man auch mal feiern“, erklärt Wilkens dem Publikum. „Fahrt weg und schaut Euch Europa von außen an, dann werdet Ihr es wieder lieben.“
Sein Weg mit Kritik umzugehen wird nicht nur am Buchtitel deutlich. Auch im Buch nimmt er die Kritik an Europa offen an und führt sie mit Humor ad absurdum. Er schlägt beispielsweise einen Nobelpreis für den besten Bürokraten in Europa vor: „Beamte fechten jeden Tag für uns die Konflikte aus. Das mag manchmal lange dauern und viele Nerven kosten, aber es sichert uns allen den Frieden.“
„Es ist das richtige Buch zum richtige Zeitpunkt“, findet auch die Bundestagsabgeordnete Kirsten Lühmann. „Warum gehen wir mit so einer negativen Einstellung an Europa heran? Wir beurteilen ja auch die Menschen nach ihren Stärken und danach, was sie können.“ Der Brexit, Pegida und die jüngsten Entwicklungen jenseits des Atlantiks hätten gezeigt, wo Populismus und Lügen hinführen können. „Wir sollten anfangen zu arbeiten und verstehen, dass uns nichts in den Schoß fällt“, so Lühmann.
Was würde Freud der kränkelnden Europa auf seiner Couch nun antworten? Er würde ihr nicht sagen „Mensch, du bist wirklich schlecht. Du hast ja einen Haufen Probleme, da kommst du nie wieder raus“, vermutet Wilkens. Er würde sie ermutigen und Aufbauarbeit leisten. Er würde etwas sagen wie „Das ist doch alles nicht so schlimm. Du hast schon so viel geschafft, hast viele Freunde und hast vielen Menschen geholfen.“ Ein Psychologe würde Aufbauarbeit leisten und Andre Wilkens leistet mit seinem Buch diese Aufbauarbeit für Europa.
Das Buch „Der diskrete Charme der Bürokratie – Gute Nachrichten aus Europa“ von Andre Wilkens ist erschienen im S. Fischer Verlag und seit 23. März 2017 im Handel erhältlich.
Text: Isabella Schupp (dbb)