Gleichheit der Geschlechter und die Konferenz zur Zukunft Europas – Forderungen beim Online-Bürgerdialog am 15. Juni 2021

„Gleichheit der Geschlechter“ ist eines der Kernziele der EU. Eine Chance, diesen Prozess als Zivilgesellschaft voranzutreiben, bietet die am 9. Mai 2021 offiziell eröffnete Konferenz zur Zukunft Europas. Doch wie sind Frauen aktuell repräsentiert? Wie kann ein gleichberechtigtes Europa gestaltet werden? Welche konkreten Forderungen haben Frauen an die Konferenz zur Zukunft Europas?

Diese und viele weitere Fragen richteten über 85 Teilnehmende des Online-Bürgerdialogs „The Future is Female! Forderungen von Frauen an die Konferenz zur Zukunft Europas“ am 15. Juni 2021 an Dr. Hannah Neumann, die als Mitglied des Europäischen Parlaments für Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss für Sicherheitspolitik sitzt und sich für eine feministische Außenpolitik einsetzt, und an Prof. Dr. Ingeborg Tömmel, Trägerin des „Preis Frauen Europas“ 2021 und Politikwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Europäische Integration der Universität Osnabrück. Prof. Dr. Tömmel betonte, dass die Europäische Kommission und das Europäische Parlament durchaus hohe Ambitionen bezüglich der Gleichberechtigung in der EU zeigen würden. Progressive Vorschläge zur Beseitigung des Gender Pay Gaps blieben allerdings häufig im Rat der Europäischen Union stecken, ergänzte Dr. Neumann.

Forderungen der Teilnehmenden, um die Zukunft der Frauen in der EU positiv zu beeinflussen, waren u.a. folgende: Tolerante Aufklärung durch Bildung, der Beitritt der EU als Ganzes zur Istanbul-Konvention und die Stärkung von Frauennetzwerken. Dr. Neumann fügte hinzu, dass die Hälfte der Macht in allen Parlamenten Frauen zustünde. Auch Prof. Dr. Tömmel stimmte den Forderungen der Teilnehmenden zu, ging aber noch einen Schritt weiter. Sie forderte, dass in allen politischen Entscheidungsgremien und Unternehmensvorständen eine Frauenquote eingeführt werden müsse. Ihre Berufspraxis habe ihr gezeigt, dass es ohne Frauenquote aktuell nicht funktionieren würde. Egal, ob in Berufungsgremien an Universitäten oder in der Wirtschaft, Frauen seien aktuell bei der Stellenbesetzung benachteiligt. Dafür sei es in Branchen mit derzeit niedrigem Frauenanteil in einer Übergangsphase möglich, nicht direkt bei einer Frauenquote von 50 Prozent zu starten, sondern einen niedrigeren Anteil anzustreben, der dann über einen Zeitraum von fünf bis acht Jahren gestaffelt gesteigert würde.

Im Europäischen Parlament sind aktuell 39,4 Prozent der Abgeordneten Frauen. Das sind fast neun Prozent mehr Frauen als im Deutschen Bundestag, aber auch immer noch fast zehn Prozent entfernt von einer paritätischen Besetzung des Parlaments. Zudem, so warnte Tömmel, sei dieser vergleichsweise hohe Frauenanteil keinesfalls für die Ewigkeit gesichert. Mit der steigenden Zahl an Sitzen für rechte Parteien auch im Europäischen Parlament gehe eine Schwächung der Frauen einher. Betrachtet man die Verteilung der Frauen in den unterschiedlichen Ausschüssen des Europäischen Parlaments, so befänden sich diese auch heute noch häufig in Ausschüssen, die als „klassische Frauenthemen“ wahrgenommen werden. Dr. Neumann ergänzt, dass sie in sicherheitspolitischen Sitzungen häufig die einzige Frau im Raum gewesen sei. Solange eine Frauenquote schmerze, sei es das beste Zeichen, dass sie benötigt werde. Eine Möglichkeit dafür wäre eine Quotierung der Wahllisten, die zu einer paritätischen Vergabe von Mandaten führt. Solche Paritätsgesetze existieren innerhalb der EU bisher in Belgien, Frankreich, Portugal, Spanien und Slowenien. Diese schreiben gesetzliche Geschlechterquoten für Kandidierendenlisten von jeweils zwischen 40 und 50 Prozent vor. Aber hier, so ergänzte eine Teilnehmerin, sei man mit dem Problem konfrontiert, dass es kein gemeinsames europäisches Wahlrecht gibt. Die Anforderung, Wahllisten für die Wahlen des Europäischen Parlaments zu quotieren, müsse also in jedem Mitgliedstaat separat geregelt oder generell ein europäisches Wahlrecht eingeführt werden.

Die Teilnehmenden brachten sich bei dieser 1,5-stündigen Online-Veranstaltung auf verschiedenen Wegen sehr aktiv ein. Sie nahmen an Kurzumfragen teil, brachten sich schriftlich über den Chat oder das Beteiligungstool Slido ein oder schalteten sich direkt in das Gespräch ein. Durch die Veranstaltung führte die freie Moderatorin Mareen Hirschnitz, die die Fragen und Positionen bündelte und strukturierte. Kurze Meldungen und Fotos live vom Online-Bürgerdialog finden Sie auf unseren Kanälen in den sozialen Medien: Twitter, Facebook und Instagram. Des Weiteren sind die eingebrachten Ideen der Teilnehmenden auf der digitalen Plattform der Konferenz zur Zukunft Europas zur weiteren Diskussion freigegeben.

Der Bürgerdialog am 15. Juni 2021 wurde von der Europäischen Union kofinanziert und unterstützt vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung sowie von der überparteilichen Europa-Union Deutschland durchgeführt. Die Veranstaltung ist Teil der Bürgerdialogreihe „Europa – Wir müssen reden!“. Dieser Bericht basiert zu großen Teilen auf dem Artikel „The Future is Female! - aber wie können wir diese Zukunft erreichen?“ vom 28. Juni 2021 unseres Medienpartners, dem Online-Jugendmagazin „treffpunkteuropa.de“. Hier geht es zum vollständigen Veranstaltungsbericht.