Durch den Vertrag von Lissabon hat die Europäische Union einen Auswärtigen Dienst und eine Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik bekommen. Dennoch scheint es keine gemeinsame europäische Außenpolitik, kein einheitliches Auftreten nach außen zu geben. In fast allen wichtigen Fragen der Außenpolitik fällt es den Europäern schwer, mit einer Stimme zu sprechen – der Krieg in Libyen, der Israel-Palästina-Konflikt und die Haltung gegenüber China sind nur einige der Knackpunkte.
Bei der Begrüßung der knapp 400 Gäste, die sich im dbb forum versammelt hatten, warf daher die stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Kirsten Lühmann die Frage auf, ob beim Aufbau einer europäischen Außenpolitik samt eines eigenen Europäischen Auswärtigen Dienstes, „alles bereits richtig und rund läuft“. „Europäische Außenpolitik ist etwas, das im Werden ist; sie ist ein Kern, der sich noch auswachsen muss.“ Die Aussage, die sich wie ein roter Faden durch die Rede des tschechischen Außenministers, Karel Schwarzenberg, zog, blieb bei den Europakennern, die sich anschließend auf hohem Niveau über Hemmnisse und Chancen europäischer (Außen-)Politik auf dem Podium austauschten, ohne Widerspruch. Auch dem Hinweis Schwarzenbergs, nicht zu vergessen, dass europäische Außenpolitik immer noch von den Staaten gemacht werde, und sie diesen Bereich wesentlich stärker beherrschten als beispielsweise die Wirtschaftspolitik, stieß auf Konsens.
Zugleich nutzten die Teilnehmer der von Eckart Stratenschulte (Europäische Akademie Berlin) moderierten Podiumsdiskussion den Gedankenaustausch, vor dem Hintergrund der herrschenden Krise ihre eigenen Positionen zu überprüfen. Ein Fazit: Europa kann seine Geltung in der Welt nur behaupten, wenn es gelingt, möglichst schnell den Binnendiskurs der Nationalstaaten zugunsten gemeinsamen außenpolitischen Handelns aufzugeben. Große Zuversicht, dass es dazu bald kommt, zeigten die Experten indes nicht. „Wirkliche Europäische Außenpolitik wird es erst dann geben, wenn wir Europäer in einer außenpolitischen Krise stecken.“ Dieser Prognose Schwarzenbergs hielt Thomas Risse, Professor am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin, entgegen, dass es in den beiden zurückliegenden Jahrzehnten mehr als eine außenpolitische Krisensituation gegeben habe, ohne dass die Europäer zu einer gemeinsamen Linie gefunden hätten. „In Nordafrika ist die Glaubwürdigkeit Europas in die Luft gegangen“, erinnerte Manuel Sarrazin, Vorsitzender der Europa-Union Parlamentariergruppe im Bundestag, an die jüngste Vergangenheit.
Gerade Deutschland, mahnte Botschafter a. D. Wolfgang Ischinger an, müsse seine außenpolitischen Positionen mit den anderen EU-Mitgliedstaaten besser abstimmen, insbesondere, so der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, da es derzeit Mitglied im UN-Sicherheitsrat sei. Auch Georg Sabathil, Direktor beim EAD, forderte mehr gemeinsamen politischen Willen der europäischen Partner in der Außenpolitik ein. Der EAD stecke quasi noch in den Kinderschuhen, warb er um Verständnis: Dieser könne die an ihn gestellten hohen Erwartungen noch gar nicht erfüllen. Gemeinsame Handlungsfelder, wo die Europäer bereits heute etwas erreichen können, machten die Diskutanten bei der Unterstützung der Nachbarstaaten im Süden und Osten aus, um Rechtsstaatlichkeit und Good Governance zu fördern. Dabei komme auch den Parlamenten eine wichtige Rolle zu, so Manuel Sarrazin: „Über den Haushaltsausschuss kann auch der Bundestag deutsche Außenpolitik mitgestalten.“ Die Europäer müssten endlich auch der Tatsache ins Auge sehen, dass „Europa verteidigungspolitisch ein Zwerg ist“. Angesichts von Sparzwängen in den nationalen Verteidigungshaushalten liege es auf der Hand, die Ressourcen der EU-Mitgliedstaaten zu bündeln. „Wir sollten Mut haben, Neuland zu beschreiten.“ Dieser Appell Ischingers war zugleich die zentrale Botschaft des Abends.