Europa-Union Saar zu 25 Jahre Schengen „Offene Binnengrenzen machen Europa stark“

Am Donnerstag, den 26. März jährt sich das Inkrafttreten des Schengen-Vertrags, der die Grenzkontrollen zwischen den ersten sieben EU-Staaten abschaffte, zum 25. Mal. Der Wegfall der Grenzen machte die europäische Einigung für die Menschen auf eine neue Weise erlebbar. Angesichts der Corona-Pandemie, die in Europa zur Schließung von Binnengrenzen oder beschränkten Einreisebestimmungen geführt hat, wird das Jubliäum betrübt bis mahnend begangen. So warnt auch Margriet Zieder-Ripplinger, Landesvorsitzende der Europa-Union Saar vor einem Rückfall in nationale Egoismen. Und fordert die Regierungen und Parlamente auf, im Sinne der Bürgerinnen und Bürger Europas eine gemeinsame europäische Antwort auf diese und weitere transnationale Krisen zu finden.

Die Freundschaftsbrücke (eine reine Fußgängerbrücke) verbindet seit 1993 die jahrhundertelang zusammengehörenden Orte Kleinblittersdorf (Saarland) und Grosbliederstroff (Lothringen/Départment Moselle). Auch hier finden aktuell Grenzkontrollen statt.

Heute vor 25 Jahren trat der Schengen-Vertrag in Kraft. Die Kontrollen an den innereuropäischen Grenzen der Vertragsstaaten entfielen. „Was damals mit den Benelux-Staaten, Deutschland und Frankreich sowie Spanien und Portugal begann, ist nichts anderes als eine weltweit einzigartige Erfolgsgeschichte“, sagt die Vorsitzende der überparteilichen Europa-Union Saar, Margriet Zieder-Ripplinger.

„Eine ganze Generation junger Europäerinnen und Europäer ist innerhalb dieses für sie offenen Europas groß geworden.“ Zahlreiche weitere EU-Staaten seien im Laufe der Zeit hinzugekommen. „Schengen hat die Menschen mehr miteinander verbunden als mancher europäische Fördertopf. Schengen hat Europa als Heimat erlebbar gemacht“, erklärt Zieder-Ripplinger.

Die Corona-Epidemie habe zwar zu Grenzkontrollen und teilweise auch zu Grenzschließungen geführt. „Diese Grenzschließungen können aber nur vorübergehend sein“, zeigt sich Margriet Zieder-Ripplinger überzeugt. Am 11. März hat das Robert-Koch-Institut (RKI) die gesamte Region Grand-Est (umfasst die Gebiete des Elsass, Lothringens und der Champagne-Ardennes) zum Risikogebiet für das Covid-19-Virus erklärt so wie auch Italien, den Iran und bestimmte Provinzen von Südkorea und China. Die regionale Gesundheitsbehörde der Region Grand Est (Agence régionale de santé du Grand Est) kritisierte diese Analyse des RKI, da zu diesem Zeitpunkt fünf Départements von zehn der Region "praktisch nicht betroffen" seien vom Corona-Virus. Die saarländische Landesregierung folgte trotzdem der Einschätzungen der deutschen Bundesoberbehörde für Infektionskrankheiten Robert Koch, sprach öffentlich Warnungen aus und leitete Maßnahmen ein. Zwischen dem Saarland und dem französischen Département Moselle (eine Übersicht mit Karte des Républicain Lorrain  hier) sind aktuell 29 von 35 Grenzübergängen vorübergehend entwidmet. Nur sechs dieser Grenzübergänge, die dauerhaft von der Bundespolizei kontrolliert werden, dürfen derzeit legal passiert werden. Ebenso führt die Bundespolizei an der Grenze zu Luxemburg Kontrollen durch. Auch dort gibt es Einreisebeschränkungen. Nur wer nachweislich einen dringenden Grund hat, darf einreisen. Ausgenommen von dieser Regelung sind grenzüberschreitende Arbeitnehmer*innen. Für sie hat die luxemburgische Regierung eine Art Passierschein erstellt, die das Arbeitsverhältnis mit dem/der Arbeitnehmer*in nachweist.

In Frankreich gilt seit dem 17. März die Ausgangssperre. Die Menschen dürfen dort ihr Haus nur noch in wichtigen Fällen verlassen. Etwa um zur Arbeit zu gehen, wenn zuhause arbeiten nicht möglich ist, um zum Arzt zu gehen, oder um Einkäufe zu erledigen. Gleiches gilt für Menschen, die im Saarland wohnen und in Frankreich arbeiten. Auch sie müssen das offizielle Formular der französischen Behörden mit sich führen. An manchen kleineren Grenzübergängen nach Frankreich wurden am 20. März im Auftrag der Bundespolizei Straßensperren, weiße Plastikbarrikaden mit rot-gelben Warnlichtern, errichtet (teilweise ohne Benachrichtigung der örtlichen kommunalen Verwaltungen oder der Polizei auf französischer Seite). Französische regierungsvertreter*innen und die lokalen Exekutiven der betroffenen Städte und Gemeinden auf französicher Seite wurden von saarländischer Seite entweder gar nicht oder erst im Nachhinein informiert.

An manchen Personen, die aus Frankreich mit dem Auto, dem Zug oder dem Flugzeug nach Deutschland einreisen wollen, nimmt die Bundespolizei Temperaturmessungen vor. Der grenzüberschreitende öffentliche Personennahverkehr in französische Nachbarstädte und -gemeinden ist eingestellt worden. Die drei täglichen ICE/TGV-Verbindungen von Paris aus werden von der Bundespolizei in Saarbrücken gestoppt. Personen mit nicht-deutscher Staatsbürgerschaft, die ohne einen nachweislich dringenden Grund nach Deutschland einreisen, müssen in den gegenläufigen Zug umsteigen und nach Paris zurückfahren. Besonders gravierend: Auch Besuche von Familie und Freunden über die Grenze hinweg sind aktuell nicht mehr gestattet. Dabei ist es im transnationalen Raum zwischen Belgien, Frankreich, Luxemburg, Deutschland in den letzten 25 Jahren für die Menschen zur Normalität geworden, unabhängig von ihrer Nationalität und den nationalstaatlichen Grenzen ihren Wohnort, Arbeitsplatz, Orte für Freizeitgestaltung, Einkäufe, soziale Kontakte usw. frei zu wählen, in den verschiedensten Kombinationen. "Diese Grenzkontrollen erzeugen in den Köpfen der Menschen wieder Grenzen, die wir hier in der Großregion längst überwunden hatten", bedauert Zieder-Ripplinger.

„Darum ist es gut, dass wir im Saarland unsere lothringischen Nachbarinnen und Nachbarn in unseren Krankenhäusern behandeln, wenn sie an Corona erkrankt sind und unsere Hilfe brauchen.“ Der Zusammenhalt der Bürger*innen, auch und vor allem über die Grenze hinweg, sei jetzt wichtig. Die Landesvorsitzende der Europa-Union Saar betont: „Gerade für die Bekämpfung des Virus ist die Europäische Zusammenarbeit unverzichtbar." Mit nationaler Abschottung ginge das jedoch nicht.

Sich an die Anfänge der europäischen Reisefreiheit zu erinnern, die Mitte der 1980er Jahre mit einem deutsch-französischen Abkommen begann, bedeute nicht, heutige Probleme auszublenden. „Gegenwärtig gibt es viel Irrationalität, chauvinistisches Gerede und die echte Gefahr eines Rückfalls in alte, längst überwunden geglaubte Zeiten.“ Bürgerschaftliches Engagement wie das der Europa-Union stehe klar gegen diese nationalistischen Tendenzen. „Eine nationalistische Alternative darf es für unser Land in Europa niemals wieder geben. Dafür stehen wir mit unserem Engagement ein", so die Landesvorsitzende.

Mit Sorge sieht die Europa-Union Saar, dass Europa zur Festung werde. „Einige wollen an den EU-Außengrenzen undurchlässige Mauern hochziehen.“ Die Europa-Union fordere hingegen eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik. „Menschenrechte dürfen nicht mit Verweis auf unsere Reisefreiheit im Inneren aufgegeben werden“, unterstreicht Zieder-Ripplinger.