Rainer Wieland, der als Vize-Präsident des Europäischen Parlaments über langjährige europapolitische Erfahrung verfügt, sieht die Zeit für ein Zusammengehen der nationalen Streitkräfte gekommen. „Wir können uns den gegenwärtigen Zustand nicht mehr lange leisten. Einerseits fehlen uns in Europa militärische Fähigkeiten und das Geld zum Erhalt unserer nationalen Sicherheitsstrukturen. Das hat zuletzt die Intervention in Libyen gezeigt, die ohne die Hilfe der Amerikaner nicht möglich gewesen wäre. Andererseits haben wir unsinnige und kostspielige Doppel- und Mehrfachstrukturen aufgrund der nach wie vor nationalen Ausrichtung der Streitkräfte.“ Das Eurokorps biete dafür in der schon bestehenden Struktur vielleicht einen entscheidenden Anknüpfungspunkt.
Wieland setzt sich für eine echte europäische Armee ein, die sich aus nationalen Teilstreitkräften zusammensetzt. „Die EU-Mitgliedstaaten bringen einzelne Fähigkeiten ein, die ein sinnvolles Ganzes ergeben. Die einen stellen Transport-, die anderen Aufklärungskapazitäten. Die einen bauen Flugzeugträger, die anderen Kampfhubschrauber. Eine europäische Armee ist die entscheidende Voraussetzung auch für eine gemeinsame europäische Außenpolitik. Sicherheits- und Außenpolitik sind untrennbar miteinander verbunden.“
„Die Vergemeinschaftung unserer Streitkräfte ermöglicht in der Summe Einsparungen und gleichzeitig zielgerichtete Investitionen in mehr Sicherheit. Sie macht die EU im Bündnis mit den USA zu einem weltweit interventionsfähigen Akteur und erhöht zugleich ihre Verteidigungsfähigkeit. Bewaffnete Konflikte zwischen einzelnen EU-Staaten werden gänzlich unmöglich. Über bewaffnete Einsätze müssen das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union gemeinsam entscheiden. Die europäische Armee muss eine Parlamentsarmee sein.“
Der EUD-Präsident ist davon überzeugt, dass die europäische Verteidigungsgemeinschaft europäische Identität befördern und einen entscheidenden Schritt hin zu einem europäischen Bundesstaat darstellen wird. „Die europäische Armee wird über kurz oder lang kommen. Die Staatsschuldenkrise wird den Weg dahin nicht nur ebnen, sondern den Prozess beschleunigen.“