Ein Sieg für die Demokratie in der Europäischen Union – Schottland hat trotz Abstimmungsniederlage „gewonnen“!

Auch wenn einige Medien und manche „Separatisten“ in Europa gerne einen anderen Ausgang des Unabhängigkeitsvotums in Schottland gehabt hätten, mehr als die Hälfte der in Schottland lebenden Bürgerinnen und Bürger haben sich für einen Verbleib im United Kingdom entschieden. Was manche nun für eine Niederlage der Befürworter einer Eigenstaatlichkeit Schottlands halten mögen, ist in vielerlei Hinsicht aber ein Triumph für die Demokratie und ein Beweis dafür, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union Konflikte im 21. Jahrhundert friedlich lösen können. // von EUD-Präsidiumsmitglied Ulla Kalbfleisch-Kottsieper

Teil des Triumphes ist vor allem aber auch die – mit über 80 Prozent hoch engagierte – Teilnahme der Bevölkerung an dieser politisch so weitreichenden Entscheidung.  Interessant ist es dabei festzustellen, dass die britische bzw. schottische Demokratie es möglich macht, an einer solchen Entscheidung alle altersmäßig wahlberechtigten, in Schottland lebenden und arbeitenden Menschen aus den EU-Mitgliedstaaten – und darüber hinaus – zu beteiligen.

In beindruckender Weise bestätigt dies eine Forderung der Europa Union Deutschland, aber auch des Ausschusses der Regionen in Brüssel, Wahlrechte und Beteiligungsrechte der in den Mitgliedstaaten der EU lebenden Bürger/-innen auszuweiten.

Angesichts der – nicht nur in Deutschland bei den Europawahlen (aber auch den jüngsten Landtagswahlen) – bedrohlich abnehmenden Wahlbeteiligung sollte im Interesse der Stabilität der Demokratie in der EU und ihren Mitgliedstaaten alles versucht werden, um vor allem auch auf regionaler und lokaler Ebene aus Wohnbürger/-innen auch Wahlbürger zu machen. In Deutschland würde das über zwei Millionen. potentiell Wahlberechtigte bedeuten, in der gesamten EU rund acht Millionen. Vielleicht würde eine solche Erweiterung des Wahlrechts dann auch zu einer höheren Wertschätzung für dieses Recht auf Mitgestaltung der eigenen gesellschaftlichen Entwicklung führen? Fünfundzwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs wäre dies eine schöne Wertschätzung für die damalige friedliche Revolution.

Für die Schotten wird es jetzt darauf ankommen, aus der mit immerhin 45 Prozent beeindruckend großen Zustimmung zur angestrebten Eigenstaatlichkeit Schottlands, nachhaltig politisches Kapital für die größere Eigenständigkeit ihrer Region zu entwickeln. Downing Street 10 hatte dies ja – wenn auch nur kurz vor dem Urnengang – bereits angeboten.

Wenn sich dieser Prozess – vor den Augen der europäischen Öffentlichkeit – konstruktiv und auf Augenhöhe entwickelt, wird dies auch Folgen für die zahlreichen anderen regionalen/dezentralen Bestrebungen in Spanien, Italien, Frankreich und weiteren Staaten Europas haben. Möglicherweise wird es zu einer „Föderalisierung“ in der EU kommen, die für die deutschen Länder von großem Interesse sein kann. Das „Europa der Regionen“, das keine Bedrohung der „Nationalstaatlichkeit an sich“, sondern eine positive Aktivierung der regionalen Kräfte bedeutet, gehört ja seit Jahrzehnten zu den europäischen Visionen vieler Landespolitiker/-innen.

Die gesamte Entwicklung der Europäischen Union ist – trotz der derzeit schwierigen Entwicklung an ihren „Rändern“ – ein Beweis für die These: „Friede ist machbar, Nachbar“.

Wenn es in Schottland darüber hinaus noch ein Ventil zum „Dampf ablassen“ braucht, könnte dies ja gegebenenfalls auch auf einem Fußballfeld ausgetragen werden, denn eine schottische Nationalmannschaft, die selbst Weltmeister in Bedrängnis bringen kann, gibt es ja schon lange.

Ein Beitrag von Ulla Kalbfleisch-Kottsieper, EUD-Präsidiumsmitglied und Sprecherin der AG – Bürgerrechte, Justiz und Innenpolitik der EU


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