Die EU-Abgeordneten aus der Großregion starten in die neue Wahlperiode

Nach der Europawahl am 26. Mai hat sich in dieser Woche das neue Europäische Parlament konstituiert. Während das Saarland mit keinem Abgeordneten mehr vertreten sein wird, entsenden die anderen Teilgebiete der Großregion insgesamt 27 Repräsentanten/-innen ins Europäische Parlament.

„Das Saarland gilt als eines der europäischsten Bundesländer. Als erstes Bundesland hat es 1992 per Verfassungsänderung die europäische Einigung und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit als Staatsziele in die Verfassung aufgenommen. Daher ist es ein besonders bitteres Schicksal, dass es im neuen Europäischen Parlament keinen einzigen Abgeordneten aus dem Saarland mehr geben wird“, bedauert die Landesvorsitzende der Europa-Union Saar Margriet Zieder-Ripplinger. Grund dafür waren insbesondere die überwiegend wenig aussichtsreichen Listenplätze der saarländischen Spitzenkandidaten. Für den Kandidaten Jo Leinen (SPD) brachte zusätzlich noch das schlechte Wahlergebnis seiner Partei bei der Europawahl das Ende seines insgesamt 20-jährigen Mandats im Europäischen Parlament. Die saarländische Landespolitik und Wirtschaft bedauern, dass nun die spezifischen Interessen des Landes nicht mehr vollumfänglich in Brüssel und Straßburg vertreten werden.

Zuversicht für die weitere Vertretung saarländischer Interessen in der EU

Der saarländische Europaminister Peter Strobel gibt sich dennoch zuversichtlich, dass das Saarland auch ohne Mandate im Europäischen Parlament „in Brüssel sichtbar und hörbar ist und dies auch noch stärker werden“ wird. „Unsere Vertretung in Brüssel ist bestens mit den Europäischen Institutionen vernetzt und Schnittstelle für die unterschiedlichsten Themen, die für uns als Land in Europa wichtig sind“, so der Minister. Überdies bereite er mit seinem Team in Saarbrücken und in Brüssel bereits intensiv das nächste Jahr vor: „In 2020 ergibt sich die einmalige Chance, dass die deutsche Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union zusammenfällt mit dem Vorsitz des Saarlandes in der Europaministerkonferenz. Ich will diese Gelegenheit nutzen, ganz konkret saarländische Anliegen – und natürlich auch die Anliegen anderer Bundesländer ganz oben auf der Agenda der Europäischen Union zu platzieren“, erklärt Peter Strobel weiter. Darüber hinaus habe das Saarland die Chance, bald wieder zwei ordentliche Mitglieder für den Ausschuss der Regionen in Brüssel zu nominieren.

„Damit aber nicht nur regierungsseitig das Saarland in Brüssel Gehör findet, sondern auch ‚des Volkes Stimme‘ gehört wird, ist es wichtig, dass zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Europa-Union Saar sich künftig noch stärker in das europäische Geschehen in unserem Land einbringen“, hebt Zieder-Ripplinger hervor. Ihr Landesverband werde sich darüber hinaus mit europafreundlichen EU-Abgeordneten aus der Großregion vernetzen und für eine grenzüberschreitende Interessenvertretung im Europäischen Parlament werben. „Deshalb haben wir den Ausgang der Europawahlen in der Großregion ausführlich analysiert und das Ergebnis im Folgenden zusammengefasst.“, ergänzt die Landesvorsitzende der unabhängigen Nichtregierungsorganisation für ein föderales Europa.

In der letzten Wahlperiode waren neben den beiden Abgeordneten aus dem Saarland Jo Leinen und Stefan Bernhard Eck mehrere andere deutsche Abgeordnete im Europäischen Parlament vertreten, die die Interessen des Saarlandes in ihren Ausschüssen und Delegationen mitbetreut hatten. Ulrike Müller (ALDE, Fraktion der Liberalen und Demokraten für Europa) und Martin Häusling (Die Grünen/EFA) wurden auch jetzt wieder ins Europäische Parlament gewählt und es ist anzunehmen, dass sie ihre bisherige Zuständigkeit beibehalten werden.

In Frankreich hat der Rassemblement National (RN), zu Deutsch Nationale Sammlungsbewegung, von Marine Le Pen bei der Europawahl mit 23,31% die meisten Wählerstimmen erhalten. Kurz darauf folgt mit 22,41% die pro-Macron-Liste „Renaissance“, geführt von der ehemaligen Ministerin Nathalie Loiseau. An dritter Stelle kommen überraschend die Grünen von Europe Ecologie-les Verts mit 13,47%. Die Republikaner der Partei UMP haben mit 8,47% das bei weitem schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte erzielt. Bei der Europawahl 2014 hatten sie noch einen Stimmenanteil von 24 %. Die Wahlbeteiligung in Frankreich bei der Europawahl ist gegenüber 2014 um 9% auf 51,3% gestiegen. Nichtsdestotrotz ist der Anteil der Nicht-Wähler noch immer sehr hoch und das bereits seit Ende der 1990er Jahre.

Rechtspopulisten in Grand Est mit dem höchsten Stimmenanteil

In direkter Nachbarschaft zum Saarland hat der rechtspopulistische RN noch mehr Stimmen als auf gesamtnationaler Ebene bekommen: in der Region Grand Est 28,24% und im unmittelbar angrenzenden Departement Moselle 29,12%. In manchen Gemeinden entlang der saarländischen Grenzen hat die Partei nicht selten Stimmenanteile, die weit über dem regionalen Durchschnitt liegen: Creutzwald (38,83%), L‘Hôpital (46,47%), Freyming-Merlebach (42,92%), Stiring-Wendel (42,15%), Forbach (32,09%) und Saargemünd (29,73%).

„Der sehr hohe Wert des RN sollte im Verhältnis betrachtet werden, da die proeuropäischen Kräfte zusammen die Mehrheit der Stimmen erhalten haben“, resümiert Camille Djurovic von Europe Direct Grand Est zum Ergebnis der Europawahl.

Sechs EU-Abgeordnete kommen aus der Region Grand Est: vier gewählte Mitglieder der Republikanischen Partei, Arnaud Danjean, Nadine Morano, Nathalie Colin-Oesterlé (Metz, Stadt- und Gemeinderätin, Vizepräsidentin des Departementsrates Moselle) und Anne Sander und zwei gewählte Mitglieder des Rassemblement National: Dominique Bilde, Kauffrau, und Virginie Joron, leitende Angestellte im Versicherungswesen und Regionalrätin von Grand Est.

Liberale und Christ-Soziale führend in Luxemburg

In Luxemburg sind bei der Europawahl die Liberalen von der Demokratischen Partei (DP - die Partei des Premierministers Xavier Bettel) mit 21,44% als Sieger hervorgegangen. Ganze 16,55% hat die Christlich-Soziale Volkspartei gegenüber 2014 verloren und liegt mit 21,1% ungefähr gleich auf mit der DP. Um fast 4 Prozentpunkte haben die Grünen zulegt und liegen damit an dritter Stelle (18,91%). Einen minimalen Stimmzuwachs auf 12,19% konnten die Sozialdemokraten (LSAP) verzeichnen. Sechs Abgeordnete, darunter drei Frauen, werden zukünftig die Interessen der Wählerinnen und Wähler Luxemburgs in Brüssel und Straßburg vertreten. Mit Nicolas Schmit (LSAP) zieht ein ehemaliger Minister für Arbeit und Beschäftigung sowie Sozial- und Solidarwirtschaft in das Europaparlament ein.

Sozialisten, Liberale und Grüne ungefähr gleich auf in Wallonien

Bei der Europawahl in Belgien liegt die nationalistische Partei N-VA mit 13,47 Prozent vorne. Gefolgt wurde sie von der rechten Vlaams Belang mit 11,45 Prozent. Die Sozialisten landeten auf Platz 3 mit 10,5 Prozent und die Partei Flämische Liberale und Demokraten kam demnach auf 9,58 Prozent. In der französischsprachigen Wallonie wiederum hat die sozialistische PS mit 27,6% die meisten Stimmen erhalten. Auf zweiter Position ist die liberale Partei Mouvement Réformateur (MR) mit 19,7%. Danach folgen die Grünen mit 18,2%. Sie verzeichneten gegenüber der letzten Wahl einen Zuwachs von 7,3% an Stimmanteilen. Parallel zu den Europawahlen fanden in Belgien auch Föderal- und Regionalwahlen statt.

Insgesamt acht Abgeordnete aus der französischsprachigen Gemeinschaft und ein Abgeordneter aus der deutschsprachigen Gemeinschaft ziehen in das Europäische Parlament ein. Die sozialistische Partei (PS) erhält zwei Sitze, die Grünen (Ecolo) ebenfalls zwei Sitze, die Liberalen (MR) auch zwei Sitze, die marxistische Partei (PTB) einen Sitz und die Christlich-Soziale Partei (CDH/CSP) einen Sitz. Der einzige Abgeordnete der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Pascal Arimont, gehört ebenfalls der Christlich-Sozialen Partei (CSP) an.

Luxemburg und das Deutschsprachige Wahlkollegium Belgiens verzeichneten innerhalb der Großregion die höchsten Beteiligungen (84,1% und 85,8%; keine Zahlen für das Französischsprachige Wahlkollegium Belgiens). Hier herrscht allerdings auch Wahlpflicht.

Rheinland-Pfalz hatte mit 64,9% nach dem Saarland (66,4%) die zweithöchste Wahlbeteiligung. Im Saarland und in Rheinland-Pfalz war die SPD mit 23,1% bzw. 21,3% etwas stärker als auf Bundesebene (15,8%), die Grünen wiederum schwächer in beiden Bundesländern: 16,7 % in Rheinland-Pfalz und 13,2% im Saarland (Bundesschnitt: 20,5%).

Ausgewogene Zusammensetzung der Abgeordneten aus Rheinland-Pfalz

Sechs Abgeordnete aus Rheinland-Pfalz werden im neuen Europäischen Parlament vertreten sein. Die CDU, die SPD und die Grünen haben jeweils zwei Sitze. Das Geschlechterverhältnis ist hier ausgeglichen. Jede der drei Parteien entsendet jeweils eine Frau und einen Mann ins Parlament. Die bekannteste EU-Abgeordnete aus Rheinland-Pfalz ist Katarina Barley (50): Die bisherige Bundesjustizministerin und Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Trier war Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl.

Wenn die Großregion das Europäische Parlament wählen würde

Das Gipfelsekretariat der Großregion hat das großregionale Ergebnis der Europawahl wie folgt zusammengefasst: „Hätte die ganze EU wie die Großregion gewählt, dann hätten die Sozialdemokraten die meisten Stimmen im Europaparlament erhalten und nicht, wie auf europäischer Ebene geschehen, die christdemokratische Parteienfamilie EVP (Großregion 19,5% zu 24,2% in der EU)“. Auch die ALDE sei großregional betrachtet stärker vertreten (16,2% zu 14% auf EU-Ebene). Eine weitere Besonderheit laut Sekretariat des Gipfels der Großregion: „In der Großregion sind die Grünen mit einem Stimmenanteil von 19,5% auf einer Ebene mit den etablierten Volksparteien, europaweit gewinnen sie jedoch nur leicht dazu (insgesamt 9,2% der Stimmen)“. Der erfreulichste Fakt der Wahlergebnisse dürfte jedoch folgender sein: „Die Fraktionen der Konservativen, Rechtspopulisten und EU-Skeptiker wurden in der Großregion nur halb so viel gewählt wie auf Ebene der EU (11,2% zu 23,3% auf EU-Ebene für die drei Fraktionen)“. Das bedeutet, dass ein freiheitliches und solidarisches Europa für die Bürgerinnen und Bürger in der Grenzregion offenbar von größerer Bedeutung ist als im EU-Durchschnitt.

 

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