Brauchen wir eine Europäische Sozialunion? Online-Bürgerdialog zum Thema Wirtschaft und Soziales am 2. Dezember 2021

Wie können Wirtschaft und Soziales in der EU vereint werden und welche Kompetenzen braucht die EU in diesem Bereich, um auch zukünftig handlungsfähig zu sein? Zu diesen Themen diskutierten am Donnerstag, den 2. Dezember 2021, Tanja Bergrath, Leiterin des Europa-Büros des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Brüssel, Christian Bäumler, Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) und Arne Franke, Abteilungsleiter der Abteilung Europa der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mit über 90 interessierten Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen des letzten Online-Bürgerdialogs im Jahr 2021.

Themen wie Krankenversicherung, Rente, Arbeitslosengeld, Arbeitsschutzregelungen, Maßnahmen im Bereich der Pflege, Sozialhilfe, Unterstützung von Studierenden und Kindergeld fallen alle unter den Beriech der Sozialpolitik. Die Kompetenzen liegen hier jedoch vor allem bei den Mitgliedstaaten. Welche Rolle kann und muss in diesem Zusammenhang die EU spielen?  

Unser Medienpartner, das Online-Jugendmagazin „treffpunkteuropa.de“, berichtet auf seiner Webseite über den Online-Bürgerdialog „Brauchen wir eine Europäische Sozialunion? Die EU im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Sozialem“ vom 02.12.2021. Hier folgt ein kleiner Auszug:

„[…] [Mit den römischen Verträgen 1957] wurden die Sozialversicherungssysteme der Mitgliedstaaten [zum ersten Mal] aufeinander abgestimmt und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) gegründet. Laut Christian Bäumler, selbst Mitglied des EWSA, handelt es sich hierbei vor allem um einen gemeinsamen Dialograum für Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen in Europa. Obwohl die Sozialpolitik weiterhin vor allem bei den Mitgliedstaaten liegt, deklarierte die EU im Jahr 2017 die Europäische Säule der sozialen Rechte. Diese gibt bestimmte Standards, Ziele und Empfehlungen vor, ist allerdings nicht rechtsverbindlich. Darunter fallen z.B. das Recht auf Arbeitslosenunterstützung, aber auch die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben.

[…] Ziel der EU [sollte es laut Christian Bäumler] sein, diese europäischen Mindeststandards verbindlich zu machen und die bisher nötige Einstimmigkeit im Rat zu sozialen Fragen zu überwinden. Diese Schritte wären notwendig, um eine Sozialunion zu schaffen. Anders sieht das Arne Franke von der BDA. Für die Schaffung einer echten Sozialunion müssten die Europäischen Verträge einstimmig geändert werden und dazu gäbe es momentan aufgrund der politischen Lage keine Chance. “Wir sollten unsere Energien darauf verwenden, ein soziales Europa zu schaffen, und nicht unsere Energie auf mögliche Vertragsänderungen einbringen”, sagt er. […] Im Gegensatz zu einer Sozialunion, in der die EU rechtlich verbindliche Standards vorgibt und die Mitgliedstaaten kein Veto-Recht in der Sozialpolitik mehr besäßen, spricht sich Franke für ein soziales Europa aus. Dies bedeute vor allem die bestehenden Instrumente zu nutzen, um Wachstum und Innovation in der EU zu fördern. Für Tanja Bergrath vom DGB ist es besonders wichtig, dass Dumpinglöhnen in Europa etwas entgegengesetzt wird. Ein “race-to-the-bottom” im Bereich sozialer Leistungen sei nicht zielführend für die gemeinsame Entwicklung von Wohlstand und die Überwindung sozialer Disparitäten in Europa. Ganz im Gegenteil: Es brauche jetzt verpflichtende Kriterien, wie etwa einen Europäischen Mindestlohn. […]. Im Rahmen der Säule sozialer Rechte hat die EU-Kommission hierzu bereits einen Vorschlag unterbreitet. Dieser verpflichtet die Mitgliedstaaten allerdings weder dazu, gesetzliche Mindestlöhne generell festzulegen, noch ihre konkrete Höhe.

[…] Christian Bäumler sprach sich für ein selbstbewusstes Auftreten der EU in sozialen Fragen aus. Es müsse klar sein, dass “es nur dann Geld von Europa gibt, wenn bestimmte Standards eingehalten werden”. Dies sollte für einen europäischen Mindestlohn, aber auch weitere europäische Arbeitsbestimmungen gelten. Bäumler setzt sich hier vor allem für mehr verbindliche, interne Beteiligungsprozesse von Angestellten in Unternehmen ein. […] Auf die Frage eines Gewerkschaftssekretärs der IG BCE aus der Lausitz - einer traditionell kohleabbauenden Region in Deutschland, die durch den Kohleausstieg einer besonderen Transformation unterlegen wird - warnt Arne Franke vor dem Verlust internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Soziale Politik sei schließlich ein Querschnittsthema, und sollte deshalb auch in der Ausgestaltung der Antwort auf die Klimakrise miteinbezogen werden.

[…] Europa sollte beim Klimaschutz im Weltmarkt führend werden - diese Ansicht teilten alle Redner*innen auf dem digital stattfindenden Bürgerdialog. Mit Fridays for Future habe es bereits eine Bewegung geschafft, ihre Anliegen in politisches Handeln zu übersetzen, sagt Tanja Bergrath und zeigt sich trotz sozialer Missstände in Europa optimistisch. Mit mehr Mitbestimmung vor Ort, auch in den Betrieben, könne grenzüberschreitend in Europa zu mehr sozialem Zusammenhalt beigetragen werden. Die EU müsse hier aktiv eingreifen, doch der gesellschaftliche Rückhalt solcher Maßnahmen müsse noch stärker zur Geltung kommen. […] Wirtschafts- und Sozialpolitik müssen zusammenwirken, um auch in Zukunft ein wirtschaftliches und sozial starkes Europa zu erhalten. Doch ob sich mutige und verpflichtende Regelungen zu einer echten Europäischen Sozialunion so schnell umsetzen lassen, ist unklar. Es liegt sicher auch daran, inwieweit wir selbst die bestehenden Unterschiede der verschiedenen Sozialsysteme in Europa als Chance sehen können, das Beste für unseren Kontinent herauszuholen.“

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Der Online-Bürgerdialog wurde moderiert von Inga Wachsmann, freie Moderatorin. Kurze Meldungen und Fotos live vom Online-Bürgerdialog finden Sie auf unseren Kanälen in den sozialen Medien: Twitter, Facebook und Instagram.

Die entwickelten Ideen und Forderungen der Teilnehmenden finden Sie auf der mehrsprachigen Online-Plattform der Konferenz zur Zukunft Europas. Bitte zögern Sie nicht, sich auf der Plattform zu registrieren, die Ideen zu kommentieren oder eigene Forderungen einzubringen.

Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber (BDA) statt. Ein breiter und offener Dialog ist uns wichtig, daher arbeiten wir mit einer Vielzahl von Partnern aus Politik und Zivilgesellschaft zusammen. Die Veranstaltung ist Teil der Bürgerdialogreihe „Europa - Wir müssen reden!“ und wurde als grenzüberschreitendes Projekt vom Auswärtigen Amt gefördert und vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung unterstützt. Weitere Informationen zu unserer bundesweiten Bürgerdialogreihe „Europa – Wir müssen reden!“ und alle aktuellen Termine finden Sie hier.