32. Europäischer Abend: Transformation europäischer Gesellschaften

Beim Europäischen Abend am 18. Oktober in Berlin ging es um das Thema „Die große Transformation. Europäische Gesellschaft(en) im Umbruch?“ Nach der Eröffnung durch dbb-Bundesvorsitzenden Ulrich Silberbach folgten Impulsstatements und Breakout Sessions, bei denen das Publikum zu Wort kam.

Vier EUD-Mitglieder bestritten Breakout Session III: Christian Moos, Prof. Dr. Funda Tekin, Stefan Evers MdA und Chantal Kopf MdB (v.l.). Foto: Jan Brenner / dbb

Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, stellte die Migrationspolitik in den Fokus seines Impulses. „Wir stehen bei der Migration vor einer Herausforderung, die den gesamten Kontinent betrifft. Hier stellen sich zwei Fragen: Was ist humanitär notwendig und was ist gesellschaftlich leistbar? Wir brauchen eine gemeinsame Antwort, die sich zwischen diesen zwei Polen bewegt. Was gesellschaftlich leistbar ist, hängt auch davon ab, wie gut uns die Integration gelingt. Die aktuellen Vorfälle in Berlin zeigen uns, dass die Integration nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben.” Integration bedeute nicht Assimilation, sondern „ein Bekenntnis zu unseren Werten. Darum sollten wir den Diskurs in der Gesellschaft stärken, um die Herausforderungen und Transformationen in dieser Gesellschaft zu bewältigen. Denn dort, wo es keinen öffentlichen Diskurs gibt, entsteht Polarisierung.“

Heiko Knopf, stellvertretender Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, nutzte seinen Impuls für ein leidenschaftliches Plädoyer für die EU. „Europa ist nicht das Problem, sondern die Antwort auf all die Herausforderungen, die mit der anstehenden Transformation von Staat und Gesellschaft verbunden sind“, so Knopf. Ausdrücklich dankte der Grünen-Vize den Beamtinnen und Beamten in Deutschland, ohne deren Leistungsbereitschaft die schon erreichten Transformationserfolge unmöglich gewesen wären. Gleichzeitig müsse aber die Politik dafür sorgen, dass der öffentliche Dienst auch in Zukunft leistungsfähig bliebe. „Wir brauchen einen starken Staat und eine starke EU, nicht als 'Bad Banks' für Aufgaben, die wir selbst nicht erledigen wollen, sondern als nachhaltige Gestalter der Zukunft“, so Knopf, der an dem Abend auch Mitglied der Europa-Union wurde.

Einen „konstruktiven Wutausbruch“ nannte Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, seinen Impulsvortrag. Er sehe die Deutschen momentan von Alpträumen erdrückt und treffe auf Auslandsreisen immer wieder auf Menschen, die von einer Immigration nach Deutschland träumten. Sie blickten mit Hoffnung auf Freiheit, Menschenrechte, diverse Lebensentwürfen und die sich bietenden Perspektiven für Kinder und Enkel Richtung Deutschland. „Diesen Traum müssen wir wieder lernen!“, forderte Roth. Er erinnerte an die jungen Demokratien, die sich wie Armenien nur schlecht gegen mächtige, autokratische Nachbarstaaten zur Wehr setzen könnten und die zu wenig Unterstützung durch die EU erführen, weil Länder wie Aserbaidschan eben auch reich an Energie seien. „Es muss uns alle antreiben, dass wir energieunabhängig werden und unsere Freiheit erfolgreich verteidigen.“

Die zahlreichen geopolitischen Konflikte spiegelten die Grundhaltung der Aggressoren: „Sie lehnen unseren ‚way of life‘ ab! Das sind Attacken gegen die Freiheit!“ Roth erinnerte in diesem Zusammenhang an die Rolle Europas: „Es ist im Interesse Deutschlands, dass wir von Freundinnen und Freunden umringt sind.“ Er sehe im vereinten Europa „einen Anker und Hoffnungspunkt“ und plädierte für eine rasche Erweiterung der Europäischen Union. Jedes Zögern verursache nur weit höhere Kosten. Deutschland könne es allein nicht schaffen. „Wir müssen die liberale, freiheitliche, soziale Demokratie über Europa verteidigen.“

Vertieft diskutiert wurden die Impulse in drei Breakout Sessions. Die erste beschäftigte sich mit den Herausforderungen der europäischen Transformation. Hier diskutierten Stefan Evers MdA, Bürgermeister und Senator für Finanzen des Landes Berlin, Chantal Kopf MdB, europapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion und neue EUD-Vizepräsidentin, sowie Prof. Dr. Funda Tekin, Direktorin des Instituts für Europäische Politik. Als eine der größten Herausforderungen in Europa wurde dabei der weiter erstarkende Populismus identifiziert, erklärte Moderator Christian Moos in seiner Zusammenfassung.

In der Breakout Session II diskutierten der Vorsitzende der dbb jugend Matthäus Fandrejewski, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium Johann Saathoff, sowie Wolfgang Scheremet vom Umweltbundesamt die Frage „Klimaschutz und sozialer Zusammenhalt – Was ist der Beitrag des öffentlichen Dienstes?“ Der Staat müsse im Transformationsprozess zu mehr Klimaschutz der Schrittgeber sein, fasste Moderatorin Claudia Rahn zusammen. Entscheidend sei dabei, die Beschäftigten der Verwaltung genauso mitzunehmen wie Bürgerinnen und Bürger.

„Klimaschutz statt Armut. Wie gelingt soziale Klimapolitik in Europa?“ war das Thema der Breakout Session III, bei der Lioba Donner vom Deutschen Naturschutzring, Robert Gampfer von der Vertretung der Europäischen Kommission und Astrid Schaffert, Leiterin der AG Klimaschutz im Deutschen Caritasverband, auf dem Podium saßen. Moderator Serge Embacher erklärte: „Sozialer Klimaschutz ist möglich.“ Tatsächlich habe die Europäische Kommission hier aktuell sogar eine Vorreiterrolle. Allerdings müssten soziale Aspekte bei den Bemühungen um Klimaneutralität in Zukunft eine noch größere Rolle spielen, um Transformation zu ermöglichen.

Der Europäische Abend ist eine Kooperationsveranstaltung des dbb beamtenbund und tarifunion, der Europa-Union Deutschland und dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement.

Text: dbb und EUD