Energie- und Klimapolitik für ein zukunftsfähiges Europa!

Beschluss des Bundeskongresses vom 6.12.2009 (PDF-Datei)

Die Nutzung von Energie ist die Grundlage gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens in Europa. Gleichzeitig verursacht die Verbrennung fossiler Rohstoffe den größten Anteil der Treibhausgasemissionen, die für den Prozess der globalen Erwärmung und damit für eine der schwerwiegendsten globalen Herausforderungen unserer Zeit verantwortlich sind. Die Europa-Union Deutschland (EUD) fordert daher eine zukunftsorientierte Energie- und Klimapolitik für Europa, die sich den heutigen Herausforderungen stellt und nachhaltig konzipiert ist!

Im Mittelpunkt der energiepolitischen Strategie der Europäischen Union müssen die Bürgerinnen und Bürger Europas stehen. Diese sind als Verbraucher an einer umweltverträglichen, sicheren und preisgünstigen Versorgung mit Energie interessiert. Eine europäische Energiepolitik muss gleichzeitig die Lebensbedingungen heutiger wie auch zukünftiger Generationen im Blick haben und daher nachhaltig ausgestaltet sein.
Um die Entwicklung einer sicheren, wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Energiepolitik zu gewährleisten, bedarf es nach Ansicht der Europa-Union Deutschland eines gesamteuropäischen Ansatzes, der die Vielfalt Europas berücksichtigt, dem Subsidiaritätsprinzip folgt und bürgerorientiert aufgestellt ist.

Spannungen auf den globalen Energiemärkten für Erdöl und Erdgas können ebenso wie die Folgen des Klimawandels zu militärischen Konflikten und damit zu wachsenden Sicherheitsproblemen führen. Europa muss diesen Entwicklungen im eigenen Interesse frühzeitig entgegensteuern. Dabei sollten jedoch die unterschiedlichen Bedingungen und Erwartungen der Regionen Europas berücksichtigt werden, ohne deren Unterstützung ein gesamteuropäischer Ansatz nicht zu gewährleisten ist.

Die Europa-Union Deutschland fordert daher  die Weiterentwicklung eines europäischen Binnenmarktes für alle Güter, so auch Strom, Erdgas und andere Energieträger. Ein europäischer Energiebinnenmarkt liegt im Interesse der Verbraucher, wenn er zu niedrigeren Preisen und zu einem gerechten Ausgleich zwischen geographisch benachteiligten und günstiger gelegenen Regionen in Europa führt. Ein strenges Wettbewerbsrecht verhindert zudem die weitere Abschottung nationaler Märkte und ermöglicht neuen Anbietern den Zugang zu allen Verbrauchern in Europa. Die Regulierung des europäischen Energiemarktes ist wichtig und kann nicht alleine durch nationale Regulierungsbehörden gewährleistet werden. Daher ist eine europäische Koordinierung, wie sie durch die neu gegründete Agentur für die Zusammenarbeit der nationalen Regulierungsbehörden (ACER) vorgenommen wurde, notwendig. Dennoch sollte die Einrichtung einer europäischen Regulierungsbehörde mit Bedacht vorgenommen werden und unter Berücksichtigung regionaler Interessen erfolgen.

1. Die Europa-Union Deutschland fordert, dass der Verbraucher weiterhin im Mittelpunkt der energiewirtschaftlichen Steuerung Europas stehen muss. Dazu dient neben einem wirksamen Wettbewerbs- und Kartellrecht auch die Entwicklung einer „Charta der Energieverbraucher“. Das Europäische Parlament fordert seit langem, den Bürgerinnen und Bürgern Europas ein rechtsverbindliches Dokument mit an die Hand zu geben, auf das sie sich gegenüber ihren Energieversorgern berufen können. Die Entwicklung einer solchen Zusammenfassung der Verbraucherrechte dient der Bürgernähe der Europäischen Union und fördert die gesellschaftliche Unterstützung des europäischen Integrationsprozesses. Daher liegt die Aufstellung und Veröffentlichung einer „Charta der Energieverbraucher“ im besonderen Interesse der Europa-Union Deutschland.

2. Die Europa-Union Deutschland fordert, dass Versorgungssicherheit ein gesamteuropäisches Thema werden muss. Die Europäische Union ist in ihrer Energieversorgung hochgradig importabhängig. Jedoch unterscheidet sich die Versorgungssituation der einzelnen Mitgliedstaaten teils fundamental. Wirkliche Versorgungssicherheit kann daher nur gesamteuropäisch gewährleistet werden. Dazu tragen die Erweiterung grenzüberschreitender Infrastruktur und eine rechtlich verbindliche Solidarität im Energiesektor bei. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union birgt Rechte und Pflichten. So sollte jeder Mitgliedstaat das Recht haben, im Falle einer Unterbrechung der Versorgung mit Erdöl, Erdgas oder Strom von anderen Mitgliedstaaten solidarisch unterstützt zu werden. Gleichzeitig hat jeder Mitgliedstaat die Verpflichtung, andere Mitglieder zu unterstützen und für den Fall einer Versorgungsunterbrechung, egal ob im eigenen Hoheitsgebiet oder in der näheren Umgebung, präventiv zu handeln. Die Europa-Union Deutschland fordert daher den Ausbau der grenzüberschreitenden Energieinfrastruktur im Sinne aller Europäer sowie die Festlegung klarer Regelungen für den Krisenfall. Beides ist derzeit nur unzureichend gewährleistet.

3. Die Europa-Union Deutschland fordert die Bevorratung von Erdöl und Erdgas als einen entscheidenden Faktor für eine effektive Krisenprävention. Die Europa-Union Deutschland sieht klare Bevorratungsregelungen für Erdgas und Erdöl als Voraussetzung für ein hohes Maß an Versorgungssicherheit an. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass einige Mitgliedstaaten aufgrund von geographischen und geologischen Bedingungen nicht oder nur unter hohen Kosten dazu in der Lage sind, Bevorratung in größerem Umfang zu gewährleisten. Daher ist es notwendig, dem Subsidiaritätsprinzip folgend, diese unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in die Entwicklung von gesamteuropäischen Regelungen mit einzubeziehen und Mechanismen zu entwickeln, die entweder Kooperationsprojekte unter Mitgliedstaaten oder die Nutzung anderer Ausgleichinstrumente erlauben.

4. Die Europa-Union Deutschland fordert die Entwicklung einer gemeinsamen Energieaußenpolitik im Einklang mit den Interessen aller Mitgliedstaaten. Die derzeit 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben 27 unterschiedlichen Energieversorgungsstrukturen, 27 unterschiedliche Importstrukturen und 27 unterschiedliche außenpolitische Strategien mit Bezug auf Fragen der Energiesicherheit. Wenn die Europäische Union eine effektive Energieaußenpolitik entwickeln will, so muss sie diese Faktoren berücksichtigen. Die Europa-Union Deutschland fordert daher einen anhaltenden Dialog zwischen Mitgliedstaaten, der dazu führen soll, die einzelnen Positionen der Mitgliedstaaten anhand gemeinsamer Interessen zusammenzuführen. Dabei müssen historische Konflikte mit Nachbarländern berücksichtigt werden und dürfen nicht bei der Gestaltung einer Außenpolitik übergangen werden. Stattdessen sollte auf eine stärkere Integration der nationalen Energiemärkte hingearbeitet werden, um nationale Interessen anzugleichen und damit ein gemeinsames außenpolitische Interesse zu erzeugen.

5. Die Europa-Union Deutschland fordert die Entwicklung erneuerbarer Energien unter Berücksichtigung regionaler Interessen europäisch zu fördern. Regenerative Energieträger sind ein wichtiger Bestandteil einer Energiestrategie die Nachhaltigkeit, Unabhängigkeit in der Versorgung und zukünftige Wettbewerbsfähigkeit im Auge hat. Die Europa-Union Deutschland unterstützt den Prozess der Förderung erneuerbarer Energien, weist aber darauf hin, dass die Regionen Europas im Mittelpunkt des Interesses stehen müssen. Die unterschiedlichen geographischen Bedingungen Europas führen dazu, dass die gleiche Technologie zur Erzeugung von Strom, Wärme, Kälte oder zur Verwendung im Verkehr an unterschiedlichen Orten unterschiedlich effektiv ist. Um das Potenzial, das Europa in diesem Sektor besitzt, sinnvoll zu nutzen, darf die Entwicklung regenerativer Energien nicht „von oben“ gesteuert werden, sondern sollte sich regional entwickeln. Die Europa-Union Deutschland fordert daher dezentrale Initiativen in diesem Bereich. Gleichzeitig erscheint es notwendig, gemeinsame Zielsetzungen auf europäischer Ebene zu formulieren und Rahmenbedingungen zu schaffen, die Kosten und positive Effekte europaweit ausgleichen und eine Benachteiligung einzelner Bürgerinnen und Bürger oder Regionen ausschließen.

6. Die Europa-Union Deutschland fordert, dass Energieeffizienz im Mittelpunkt der europäischen Bemühungen zur Entwicklung einer energiepolitischen Strategie stehen muss. Die Europa-Union Deutschland sieht in der Förderung von Energieeffizienz und Energieeinsparung die zentrale Maßnahme, um Europa zukunftsfähig zu gestalten. Energieeffizienz bringt positive Effekte für alle energiepolitischen Ziele: Sie senkt den Verbrauch fossiler Rohstoffe, ist daher umweltverträglich und nachhaltig, sie minimiert Kosten für den Verbraucher und macht Europa unabhängiger von Importen. Aus diesen Gründen sollte die Europäische Union darauf hinwirken, Effizienzmaßnahmen dort zu entwickeln, wo sie den größten Effekt erzielen können: Im Verkehr, im Gebäudesektor, in der Stromerzeugung und bei der Produktgestaltung. Verbraucher müssen stärker über ihren Energieverbrauch informiert werden, um der Entwicklung dieser Maßnahmen die notwendige gesellschaftliche Unterstützung zu geben.

7. Die Europa-Union Deutschland fordert die Klimapolitik Europas glaubwürdig und effektiv zu gestalten. Aufgrund historischer Entwicklungen, vornehmlich der Industrialisierung, ist Europa für einen großen Teil der Probleme, die wir unter dem Begriff Klimawandel zusammenfassen, verantwortlich. Europa muss dieser Verantwortung gerecht werden, um auch weiterhin als diejenige Region in der Welt zu gelten, die für Frieden, Sicherheit und Freiheit einsteht. Die globale Erwärmung stellt eine Gefahr für alle drei historischen Erfolge des europäischen Integrationsprozesses dar. Aus diesem Grund ruft die Europa-Union Deutschland dazu auf, die Gefahren des Klimawandels ernst zu nehmen und sich ihnen durch die Entwicklung einer nachhaltigen Politik anzunehmen. Sowohl die Vermeidung von Treibhausgasen als auch die Anpassung an den Klimawandel sollten Vorbildcharakter für die Welt haben und andere Regionen von Sinn und Notwendigkeit einer solchen Politik überzeugen. Um solidarisch zu handeln und eine Benachteiligung einzelner Regionen Europas zu vermeiden, sollten die Bemühungen einer europäischen Klimapolitik europäisch koordiniert werden. Mit dem Europäischen Emissionshandelssystem wurde ein Instrument etabliert, das zunehmend auch global auf Interesse und Nachahmungswille stößt. Um zu demonstrieren, dass dieses System sinnvoll, effektiv und nachhaltig ist, sollte es möglichst effizient ausgestaltet werden und alle positiven Nebeneffekte bewahren. Dazu gehört auch, Ausnahmeregelungen auf ein Minimum zu reduzieren, um die Glaubwürdigkeit europäischer Klimapolitik aufrechtzuerhalten.

8. Die Europa-Union Deutschland fordert eine frühzeitige Planung der Anpassung an den Klimawandel. Eine globale Erwärmung von rund 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau ist mit Blick auf wissenschaftliche Prognosen für die kommenden Jahre kaum mehr aufzuhalten. Wir müssen uns heute einerseits darum bemühen, diesen Prozess zu verlangsamen und langfristig aufzuhalten, uns gleichzeitig aber mit den Folgen des bereits verursachten Problems auseinandersetzen. Auch hier kann die Europäische Union den Bürgerinnen und Bürgern einen Mehrwert bringen und Solidarität demonstrieren. Die Europa-Union Deutschland fordert daher eine rasche und eingehende Analyse der Gefährdungslage unterschiedlicher Regionen Europas, die Entwicklung eines europäischen Solidaritätsfonds zur Anpassung an den Klimawandel und die effektive Unterstützung derjenigen Gebiete in Europa, die am meisten unter den Folgen der sich vollziehenden Veränderungen zu leiden haben (z.B. Küstenregionen oder trockene Gebiete Südeuropas).

9. Die Europa-Union Deutschland fordert die Förderung von Aus- und Weiterbildung, Forschung, Entwicklung und Umsetzung im Bereich Energietechnologie europäisch zu stärken und zu koordinieren. Um Maßnahmen zur Umstrukturierung der europäischen Gesellschaften und der wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit Europas umzusetzen, bedarf es technologischer Entwicklungen. Die hierfür verwendeten finanziellen Ressourcen können europaweit noch besser koordiniert werden, um einerseits Synergieeffekte zu fördern und andererseits Doppelausgaben zu minimieren. Die Entwicklung „europäischer Energietechnologie“ zeigt den Bürgerinnen und Bürgern Europas, dass Zusammenarbeit funktioniert und einen Mehrwert bringt. Im Rahmen der Überarbeitung der Lissabon-Strategie für Beschäftigung und Wachstum in Europa sollte diesem Aspekt – ebenso wie generell der Entwicklung nachhaltigen Wachstums – in besonderem Maße Rechnung getragen werden.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben auf ihrem Gipfel im März 2007 eine integrierte Energie- und Klimapolitik für Europa beschlossen. Die Europa-Union Deutschland unterstützt diese Entwicklung ausdrücklich, erinnert jedoch auch daran, dass eine solche Strategie einerseits im Sinne der Bürgerinnen und Bürger konzipiert werden muss, andererseits einer praktischen Umsetzung bedarf. Diese muss die Interessen der Regionen und Gesellschaften Europas berücksichtigen. Dazu gehört auch, den Bürgerinnen und Bürgern auf regionaler und nationaler Ebene die Entscheidung über die Nutzung oder Nichtverwendung einzelner Energietechnologien zu überlassen. Gleichzeitig muss sie solidarisch angelegt sein und allen Bürgerinnen und Bürgern ein hohes Maß an Sicherheit, Freiheit und Wohlstand gewährleisten. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte unterstützt die Europa-Union Deutschland die Kompetenzausweitung durch den Vertrag von Lissabon und fordert eine Intensivierung der Bemühungen Europas, eine effektive und nachhaltige Energie- und Klimapolitik zu entwickeln und umzusetzen. Dabei bleibt die Entscheidung über die Nutzung unterschiedlicher Energieträger (u.a. Atomenergie) den Mitgliedsstaaten vorbehalten. Europa sollte global als Vorbild auftreten und auch seiner weltweiten Verantwortung gerecht werden.