Krieg in der Ukraine: Die Konsequenzen für Europas Regionen und Kommunen

Im Rahmen des neuen Bürgerdialogprojektes „Krieg in der Ukraine – Bürgerdialoge zur Zukunft der EU“, das vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung gefördert wird, fand am 12. Mai die erste von vier Veranstaltungen statt. Zum Thema „Krieg in der Ukraine – Die Konsequenzen für Europas Regionen und Kommunen“ standen den Bürgerinnen und Bürgern Katarina Niewiedzial, Beauftragte des Berliner Senats für Integration und Migration, Wolfgang Petzold, stv. Direktor für Kommunikation des Europäischen Ausschusses der Regionen, und Uwe Zimmermann, stv. Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Rede und Antwort.

Eröffnet wurde der erste Bürgerdialog der neuen Bürgerdialogreihe in diesem Jahr von der Moderatorin Emmeline Charenton, Bundessekretärin der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) Deutschland. Bevor es in den direkten Austausch mit den 66 Teilnehmenden ging, wurden diese direkt zu Beginn über das digitale Beteiligungstool Slido nach ihrer Einschätzung gefragt, ob die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine vor Ort spürbar seien. Insgesamt stimmten auf Slido 36% der Nutzerinnen und Nutzer für stark bis sehr stark, während 40% eher unschlüssig waren. Gleichzeitig richtete die Moderatorin das Wort an die drei Mitwirkenden und konkretisierte die Einstiegsfrage, indem sie nach den spezifischen Auswirkungen für Europas Regionen und Kommunen fragte.

Copyright: Christine Oymann

Katarina Niewiedzial, Beauftragte des Berliner Senats für Integration und Migration sowie Polonia-Beauftragte, berichtete, dass Berlin seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine der Hotspot für Geflüchtete gewesen sei. So seien mit dem Kriegsausbruch allein in den ersten paar Wochen rund 10.000 Menschen am Berliner Hauptbahnhof angekommen, die die Behörden vor Herausforderungen stellten. Besonders die Unterstützung der Zivilgesellschaft habe geholfen, mit der Situation umzugehen. Die genaue Zahl, wie viele der Geflüchteten sich in Berlin und Deutschland aufhalten, könne durch die geltende Visafreiheit nicht genau angeben werden. Gerade die sichere Unterbringung von Schutzbedürftigen und von alleinreisenden Frauen mit Kindern sei eine besonders wichtige Aufgabe.

Die Auswirkungen auf Europas Kommunen und Regionen ließen sich, so Wolfgang Petzold, stv. Direktor für Kommunikation des Europäischen Ausschusses der Regionen, auf drei Dimension herunterbrechen: die Menschen, die Wirtschaft sowie die Politik. Ergänzend zu Niewiedzial berichtete Petzold davon, dass die Republik Moldau das Land mit der zweithöchsten Anzahl an aufgenommenen ukrainischen Geflüchteten sei. Die Versorgung der Menschen müsse vor Ort gewährleistet werden und es seien die europäischen Regionen und Kommunen, die dies bewerkstelligen würden. Hinsichtlich der Wirtschaft betonte er, dass sich jede Krise auf die jeweilige Region unterschiedlich auswirke. Ausschlaggebend sei die Nähe zur Kriegsregion, die soziale Ausstattung sowie der Reichtum einer Region. Politisch sei erstmals von der sogenannten „Massenzustrom-Richtlinie“ gebraucht gemacht worden, durch die sich die Geflüchteten frei in der EU bewegen können. Die Europäische Kommission plane zudem, die Einrichtung eines entsprechenden Wiederaufbaufonds vorzuschlagen.

Für Uwe Zimmermann, stv. Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, seien die drei Begriffe Verantwortung, Solidarität und Sicherheit zentral, um über die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine mit Blick auf Deutschland zu sprechen. Man müsse sich der Verantwortung bewusst sein, die den Städten, Gemeinden und allen Bürgerinnen und Bürgern in der Aufnahme und Unterbringung der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer zukäme. Aktuell würde sich die Verteilung der Geflüchteten noch auf die drei Bundesländer Berlin, Brandenburg und Niedersachsen konzentrieren. Mit Blick auf den Bildungsbereich sei damit zu rechnen, dass an Schulen teilweise ganze Klassen an ukrainischen Kindern hinzukämen, die vor Ort integriert werden müssten. Das stelle die Kommunen und Regionen u.a. vor Verteilungsfragen. Dazu kämen jedoch auch gesundheits-, bildungs- und finanzpolitische Fragen, z.B. bzgl. des notwendigen zusätzlichen Personalbedarfes. In dem Zuge betonte Zimmermann, wie auch zuvor Niewiedzial, den großen Verdienst der ehrenamtlich Engagierten in Deutschland in Zusammenarbeit mit den Behörden. Allerdings seien inzwischen nur noch knapp ein Fünftel der zu Beginn ehrenamtlich Helfenden aktiv. Für den Begriff der Solidarität gelte wiederum, dass diese nicht nur auf deutscher, sondern insbesondere auf europäischer Ebene vonnöten sei, um die Verteilung und Versorgung der Geflüchteten gemeinsam angehen zu können. Bezüglich der Sicherheit müsse die Energieversorgung als die zentrale Herausforderung anerkannt werden: Dabei müsse zukünftig die Energiesicherheit auch bei der geplanten Transformation des Energiesektors gewährleistet werden. Aber auch die militärische, persönliche, ökonomische sowie außenpolitische Sicherheit spiele eine wichtige Rolle.

Nach der Einstiegsrunde bestimmten die Fragen und Anliegen der teilnehmenden Bürgerinnen und Bürgern das Gespräch, wie beispielsweise nach der Arbeitsmarktintegration der Geflüchteten, den Schutzmaßnahmen für alleinreisende Frauen sowie den Unterstützungsmöglichkeiten von der EU und dem Bund für Kommunen und kleinere Gemeinden. Zum Ende der Veranstaltung konnten die Teilnehmenden ihre Wünsche an Europas Kommunen und Regionen benennen. Neben einem gemeinsamen Handeln wünschten sich die Bürgerinnen und Bürger mehr Unterstützung, Solidarität, eine rassismusfreie Aufnahme, Gewaltschutz sowie mehr Personal. Alle drei Mitwirkenden sprachen sich dafür aus, den Menschen vor Ort in Europas Regionen und Kommunen besser zuzuhören und die Zusammenarbeit stärker ebenenübergreifend auszugestalten. Niewiedzial äußerte abschließend den Wunsch, dass wir auf verschiedenen Ebenen begreifen müssten, welches tolle Projekt Europa sei. Europa rücke angesichts des Krieges in der Ukraine zusammen und die Menschen würden nicht des Wohlstands wegen nach Europa flüchten, sondern aufgrund zentraler europäischer Werte wie Freiheit und Demokratie. Diese Werte gelte es zu verteidigen und für sie zu kämpfen.


Die Veranstaltung fand im Rahmen der bundesweiten Bürgerdialogreihe „Europa – Wir müssen reden!“ statt, die vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung gefördert wird. Als Kooperationspartner beteiligt waren die Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) Deutschland. Das Graphic Recording wurde im Nachgang der Veranstaltung von Christine Oymann erstellt.