In den Grenzregionen wird Europa deutlich: Bürgerdialog in Flensburg

Die bundesweite Bürgerdialogreihe „Und jetzt, Europa? Wir müssen reden!“ der Europa-Union war am 23.11. zu Gast im Flensburger Rathaus. Ganz im Norden Deutschlands wurde deutlich, wie allgegenwärtig die europäische Zusammenarbeit in der Deutsch-Dänischen Grenzregion ist und wie sie alltäglich gelebt wird.

Foto: Sven Geißler

Gleich zu Beginn machte die Oberbürgermeisterin der Stadt Flensburg, Simone Lange, deutlich, dass die Diskussion um die Zukunft der EU wichtiger denn je sei. Weiterhin stellte die Gastgeberin im Flensburger Rathaus die Bedeutung solcher Diskussionsveranstaltungen heraus, die in alle Rathäuser und alle Welt hinausgetragen werden sollten. „Europa wird in Flensburg gelebt“, so Lange weiter, das erlebe man täglich anhand der 125 verschiedenen Nationen, die in der nördlichsten Stadt Deutschlands wohnten. Auch die Teilhabe der Minderheiten am politischen und kulturellen Leben auf beiden Seiten der Grenze wurde betont und als gelungenes Beispiel europäischer Regionen hervorgehoben. Dies wurde auch mit Blick auf das Publikum deutlich, dass deutsch-dänisch durchmischt war.

Enrico Kreft, Präsidiumsmitglied der Europa-Union Deutschland, machte deutlich, dass der heutige Abend nur ein Impuls sein könne und kein Abschluss einer Diskussion um Europas Zukunft. Doch wir sollten insbesondere auch die Ideen von Frankreichs Präsident Macron aufnehmen und diskutieren, so Kreft weiter, „der Ball liegt in unserer Hand“.

Bernhard Schnittger, stellvertretende Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, sieht hier auch die deutsche Politik in der Verantwortung. Durch die wirtschaftliche Stärke der Bundesrepublik und ihrer Lage in Europa, falle ihr eine besondere Rolle zu, die es zu ergreifen gelte, denn es stehe viel auf der Agenda.

Kim-Mailin Weinrich, Referentin in der Europaabteilung im Auswärtigen Amt, ging auf das lokal auftretende Problem der wiedereingeführten Grenzkontrollen an der Deutsch-Dänischen Grenze ein und betonte die Bedeutung von „back to Schengen“, wenngleich die Kontrollen derzeit noch notwendig seien.

In der folgenden großen Diskussion mit dem Publikum wurde schnell deutlich, dass es zwar unterschiedliche Wege gibt, Europas Zukunft zu beschreiten, alle Expertinnen und Experten sich jedoch einig waren, dass Europa nur durch gemeinsames Handeln weiterhin ein Erfolg bleiben könne.
„Stellen Sie sich vor, sie sind Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission. Was würden Sie tun?“, so die Eingangsfrage von Dr. Christian Pletzing, Direktor der Akademie Sankelmark. Während Dennys Bornhöft MdL die Bedeutung eines gemeinsamen Zieles in Europa hervorhob, zu dem man mit allen 27 Mitgliedsstaaten gelangen solle, plädierte Thorsten Augustin, Leiter der Europaabteilung im Ministerium für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung Schleswig-Holstein, für mehr Realismus. Man solle zunächst eine Bestandsaufnahme machen und sich dann bescheidene Ziele setzen, wie es mit der EU weitergehen könne.

Mit Blick auf den oft negativ besetzten Begriff „Europa“ konnte Prof. Dr. Christof Roos aus wissenschaftlicher Sicht beitragen, dass Mobilitätserfahrungen extrem wichtig seien, um ein positiveres Europabild in den Menschen hervorzurufen. Es müsse noch größere Anstrengungen geben, die Menschen zu ermutigen, im Ausland zu studieren und zu arbeiten. Hier griff auch Weinrich noch einmal den Ball auf und richtete den Appell an das Publikum sich über Möglichkeiten, Europa zu gestalten, kundig zu machen: „Die Informationen sind da, bringen Sie sich ein, so wie heute!“

Der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Flensburg – Schleswig – Eckernförde, Dr. Fabian Geyer, ging auf die wirtschaftlichen Vorteile der EU ein und stellte fest: „Die EU ist das beste Projekt, dass wir haben, das sehen auch unsere Unternehmen so.“ Der monetäre Aspekt in Europa blieb im Gespräch, wurde aber auf die Rolle der EU bei der Landwirtschaftspolitik gelenkt. Ulrike Rodust MdEP hatte direkt an der Reform der EU-Agrarpolitik mitgearbeitet, drückte aber ihr Bedauern über die jüngste Reform aus, die nicht ihren Vorstellungen entspräche. „Es gab keine Mehrheit im Parlament“, für eine stärkere Förderung kleinerer Betriebe, doch eine neue Reform stehe schon wieder an, so Rodust.

Stefan Bock, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein ging auf die Harmonisierungstendenzen in der EU ein. Diese seien zwar grundsätzlich zu befürworten, um so ein einheitliches Verbraucherrecht in der EU zu schaffen, doch müsse aufgepasst werden, dass schärfere nationale Richtlinien nicht verwässert werden würden. An dieser Stelle wurde einmal mehr deutlich, wie schwierig es ist, die Kompetenzen zwischen der EU und den Nationalstaaten sinnvoll zu verteilen. Diese Fragen des Subsidiaritätsprinzips waren ein ebenfalls mehrfach diskutierter Punkt beim Flensburger Publikum.

In seinem Schlusswort dankte Roland Hartmann, Kreisvorsitzender der Europa-Union Flensburg, ausführlich allen Anwesenden und betonte noch einmal die Wichtigkeit des friedlichen Zusammenlebens von Minder- und Mehrheiten in Flensburg.

Moderiert wurde der Bürgerdialog von Dr. Christian Pletzing, Direktor der Akademie Sankelmark, und Ralf Rose, Rundfunkjournalist bei R.SH Nachrichten.

Die Europa-Union Deutschland veranstaltete den Flensburger Bürgerdialog in Zusammenarbeit mit der Stadt Flensburg, der Akademie Sankelmark, dem Europe Direct – Informationszentrum Südschleswig, der Europa-Union Schleswig-Holstein mit ihrem Kreisverband Flensburg und den Jungen Europäischen Föderalisten Flensburg.

Das vollständige Programm finden Sie hier.