Europas Wirtschaft – Dehnbare Fugen statt Risse im Fundament

Bis auf den letzten Stehplatz besetzt war das Berliner dbb forum am 16. März, als die Europa-Union Deutschland, der Beamtenbund und ihre Partner zur Diskussion zum Thema „Europas Wirtschaft – Risse im Fundament?“ einluden. Hochkarätige Redner und ein begeistertes Publikum machten den Europäischen Abend für alle Beteiligten zu einem inspirierenden Ereignis.

In ihrer Begrüßung erinnerte EUD-Vizepräsidentin Eva Högl an die immense Bedeutung der Wirtschaftspolitik für die europäische Einigung. „Mit der Gründung der Wirtschaftsgemeinschaften haben sich die einstigen Kriegsgegner zusammengetan“, unterstrich die Bundestagsabgeordnete und bezeichnete die Wirtschaftspolitik als „Motor der Europäischen Union“.

EU-Kommissar Günther Oettinger hielt ein flammendes Plädoyer für mehr Zusammenhalt und gemeinsame Politik innerhalb der EU. Als Beispiel nannte der Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft sein eigenes Ressort: „Wenn wir eine neue digitale Souveränität gewinnen wollen, geht dies nur auf dem europäischen Briefbogen und im europäischen Team.“ Bei 28 fragmentierten Politiken sieht er hingegen nur wenig Chancen auf Erfolg. „Nationale Regulation hat weltweit immer weniger Autorität“, resümierte Oettinger und sprach sich nachdrücklich für die Gemeinschaftsmethode aus.

Staatsminister Matthias Machnig betonte, die Einführung des Europäischen Semesters sei ein Erfolg, weil es dazu beitrage, die Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten besser zu koordinieren. Für Andreas Kluth, Leiter des Berliner Büros des Economist, ist der Austritt Griechenlands aus dem Euro wirtschaftlich gesehen nur eine Frage der Zeit. Wünschenswert sei dies aber nicht. Der Deutsch-Amerikaner Kluth wies darauf hin, dass sich im Umgang mit Griechenland das Phänomen der „German Angst“ zeige. Diese sei auch bei dem zurzeit kontrovers debattierten Freihandelsabkommen mit den USA festzustellen. Richard Kühnel, der Vertreter der EU-Kommission in Deutschland, glaubt weder an einen „Grexit“ noch an die Gefahr eines „Grexidents“. Dieses Szenario sei politisch von niemandem gewünscht. „Ein Grexit wäre eine Bankrotterklärung an die Intelligenz Europas“, so Kühnel.

Linn Selle, Frau Europas 2014 und Vorstandsmitglied der Europäischen Bewegung Deutschland, brach eine Lanze für die europäische Jugend. „Sie ist die europäischste Generation überhaupt“, so Selle. Umfragen belegten unter den europäischen Jugendlichen Zustimmungswerte von 80 % gegenüber dem europäischen Projekt. Gleichzeitig fühlten sich 60 % der jungen Europäerinnen und Europäer in ihren Staaten abgehängt. „Dies ist kein griechisches Zivilisationsproblem, sondern ein europäisches“, unterstrich Selle.

Der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach kritisierte, dass über die Folgen der Krise und auch den Schaden, den die junge Generation zu tragen habe, zu wenig geredet würde. „Wie kann man den Menschen eine Basis geben?“, dies sei die Frage, die die Politik beantworten müsse. „Lassen Sie uns über die gemeinsamen Werte diskutieren“, rief Silberbach auf.

Marion von Haaren, Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio, kritisierte die wachsende Desintegration der Gesellschaft. Es sei der Trend festzustellen, dass Einkommensunterschiede immer weiter auseinander gingen. Ein Gründungsmotiv der Europäischen Gemeinschaften sei die Teilhabe aller gewesen. In einer Gesellschaft, die nicht mehr integriere, sondern die Menschen von der Teilhabe ausschließe, sieht sie eine große Gefahr. „Die Eliten müssen aufpassen, dass die Desintegration nicht weitergeht“, sagte von Haaren.

Klaus Dauderstädt, dbb Bundesvorsitzender und Vize-Präsident der Europäischen Union der unabhängigen Gewerkschaften CESI, zog eine positive Bilanz des Europäischen Abends. Das Publikum konnte jede Menge Optimismus und Denkanstöße mitnehmen. Sicherlich werden viele dem Appell von EU-Kommissar Oettinger folgen: „Sie alle müssen Botschafter werden für die europäische Idee in ihrem eigenen Umfeld!“

Der Europäische Abend ist eine Kooperationsveranstaltung von Europa-Union Deutschland, dbb beamtenbund und tarifunion, dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement sowie der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. Medienpartner des Europäischen Abends ist Euractiv.de. Der nächste Europäische Abend findet am 2. November 2015 statt.

Opens external link in new windowZusammenfassung der Online-Diskussion bei Publixphere